2894 - Niemand stribt für sich allein
die Geschossgarben seiner Gegner in den Nachmittagshimmel wandern. Unter der Wucht der Einschüsse kippten die Männer hintenüber, und ihre Waffen verstummten erst, als sie leblos auf den Boden schlugen.
Phil und ich sicherten uns gegenseitig und drangen in den Hallenbereich jenseits des Ford Expedition vor.
***
Drei Männer lagen dort – reglos, auf ölfleckigem Betonboden.
Zwei von ihnen trugen grüne Drillich-Latzhosen. Da sie auf dem Rücken lagen, konnte man – trotz des Blutes aus ihren Schusswunden – die vorn aufgestickten gelben Buchstaben lesen: Rooftop Produce Cooperative . Der dritte Mann trug einen dunkelgrauen Anzug und ein helles Hemd ohne Krawatte. Trotz der Blässe, die von ihm Besitz zu ergreifen begann, war seine gesunde Gesichtsfarbe noch zu erahnen. Sie hatte ihn aussehen lassen wie einen Mann, der erst gestern von seiner Farm in Wisconsin nach New York gekommen war.
Clark Hanrahan. Er lebte noch. Sein Blick hatte uns erfasst.
Rasch vergewisserten wir uns, dass uns aus dem schwarzen SUV keine Gefahr mehr drohte. Keiner der Angreifer hatte die hinterhältige Attacke überlebt. Und wir machten uns nichts vor. Es war beileibe kein Zufall, dass die Gangster ausgerechnet zum selben Zeitpunkt wie wir auf dem RPC-Gelände aufgetaucht waren. Sie mussten die Firma beobachtet und auf den richtigen Moment gelauert haben.
Und sie schreckten nicht davor zurück, sich mit dem FBI anzulegen.
Cesar Levitt, Rafe Gazzoli und ihre Schergen hatten nicht vor dem Mord an einer Studentin zurückgeschreckt; jetzt verrannten sie sich anscheinend in maßlosen Größenwahn. Sie fühlten sich allen Ernstes stark genug, sich keinen geringeren Gegner als den Staat auszusuchen.
Sirenengeheul näherte sich. Hanrahans Sekretärin hatte schnell gehandelt und Polizei und Rettungsdienst verständigt. Phil sammelte die Waffen ein. Unterdessen lief ich auf Hanrahan zu und ging neben ihm in die Knie. Ich sagte ihm, wer Phil und ich waren.
Er versuchte zu lächeln. Es misslang. Mehr als eine schmerzerfüllte Grimasse gelang ihm nicht. Ich konnte jetzt sehen, dass ihn mehrere Kugeln im Oberkörper getroffen hatten.
»Patty hat mich vorgewarnt, dass Sie kommen würden«, sagte er erstaunlich klar. »Zeit für eine Beichte, nicht wahr?«
Patty musste die Sekretärin sein. Patricia wahrscheinlich.
»Ich höre zu«, erwiderte ich. »Der Notarzt wird gleich hier sein.«
»Den brauche ich nicht mehr.« Diesmal gelang ihm ein mattes Lächeln.
»Unsinn«, sagte ich und hasste mich dafür, obwohl ich wusste, dass es in einer Situation wie dieser sowieso keine vernünftigere Antwort gab.
Er blickte durch mich hindurch und sagte: »Sie haben es erfahren, nicht wahr? Der Weg von Wisconsin nach New York ist für das FBI sehr kurz, vermute ich.«
»Wie für uns alle – dank Internet«, antwortete ich ausweichend und zwang mich, meine Verblüffung nicht zu zeigen.
»Er hatte mich in der Hand«, fuhr Hanrahan fort. Das Sprechen schien ihm noch immer keine Mühe zu bereiten. »Wissen Sie, diese Leute haben so etwas wie ein Radar für so was. Und dann haben sie natürlich ihre Verbindungen – amerikaweit. Ich habe damals eine Zeit lang in einer Agrarhandelsfirma gearbeitet, die außerhalb von Wisconsin überhaupt nicht bekannt war. Und trotzdem wusste diese Bande hier in New York, dass ich in der Firma mal Geld unterschlagen hatte. Fünfstellig. Ich habe mich aber mit der Geschäftsleitung gütlich geeinigt und alles zurückgezahlt. Als ich dann in New York mit den Rooftops angefangen habe, bin ich aus allen Wolken gefallen, als dieser Kerl plötzlich auftauchte …« Er hielt inne, rang nach Atem. Anscheinend hatte er sich mit dem vielen Reden doch übernommen.
»Gazzoli?«, fragte ich.
Er nickte. Zwischen den Revers seines Jacketts erschien ein Blutfleck von der linken Brusthälfte her und wurde langsam größer.
»Gazzoli und diese ganze verdammte Brut«, bestätigte er, nachdem er ausreichend Luft geholt hatte. »Sein Boss sitzt im Gefängnis und bestimmt von da aus, was läuft. Dann haben sie noch so ein Mannweib – die ist schlimmer als alle zusammen.« Er ächzte tief. »Ich dachte immer, so was gibt es nur im Film.« Wieder musste er eine Pause machen.
Ich erleichterte es ihm, indem ich meine Schlussfolgerungen zog. »Gazzoli hat sich zum Teilhaber bei Rooftop Produce gemacht. Er hat sich Ihnen aufgezwungen und gedroht, die Unterschlagung von Wisconsin hier in New York an die große Glocke zu hängen. Auch wenn es
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