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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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stechen muß, nämlich zwischen welche Rippen?“
    „Nein. Bleibt denn eine Bärin so lange ruhig stehen, bis man ihre Rippen vorwärts und rückwärts abgezählt hat, Effendi?“
    „Nein; aber dem Geübten genügt ein einziger Blick. Das Messer muß mit einem einzigen Stoß bis an das Heft eindringen; man kann es auch zurückziehen und mehrere Male stoßen müssen. Ein Bär scheint ungeheuer tölpelhaft zu sein, ist aber, besonders wenn er angegriffen wird, außerordentlich schnell und gewandt; wenn du nicht ganz richtige Stellung nimmst und den Augenblick ganz genau berechnest, kann er dich gepackt und zerfleischt haben, ehe du nur das Messer zückst. Wehe dir, wenn deine Klinge an dem dichten Fell abgleitet! Wehe dir, wenn – – –“
    „Oh, Effendi“, unterbrach er mich, „ich höre schon, was du willst! Du willst die Bärin selbst erstechen und erschlagen!“
    „Ob erschlagen oder erstechen, das kommt ganz auf die augenblicklichen Umstände an; aber ich beabsichtige allerdings, sie nur auf mich allein zu nehmen.“
    „So willst du mir von dem Ruhm des heutigen Tages gar nichts überlassen? Soll ich, wenn wir zu unserm Stamm der Haddedihn zurückgekehrt sind, den dortigen Kriegern erzählen müssen, daß ich hier an der Musallah el Amwat ruhig zugesehen habe, daß du alle Gefahren allein auf dich genommen hast, während ich die Hände in den Schoß legte wie ein altes Weib, welches schon ausreißt, wenn ihr ein Bär bloß im Traum erscheint? Was würde mein Weib Hanneh, die schönste und lieblichste Blüte unter allen Blumen des Landes, dazu sagen? Müßte sie nicht denken, daß der Geist der Tapferkeit von mir gewichen sei und ich nun einer Kaffeemühle gleiche, von welcher der Drehung verloren worden ist?“
    „Beruhige dich, lieber Halef! Du sollst dich keineswegs so ruhig und unbeteiligt verhalten, wie du anzunehmen scheinst. Wir werden uns vielmehr in die Arbeit teilen. Wenn ich die Bärin auf mich nehme, fallen dir die Jungen zu.“
    „Die Jungen! Als ob das eines Kriegers, wie ich bin, würdig wäre! Was für ein Ruhm kann für mich davon abfallen, daß ich einem oder zwei jungen Bären die Hälse umdrehe! Das ist ja eine Arbeit, welche jeder Knabe leicht verrichten kann.“
    „Da irrst du dich. Wie groß stellst du dir die jungen Bären vor?“
    „Nun, sie werden wohl nicht viel größer als eine Katze sein.“
    „Oh, viel, viel größer! Sie sind jetzt sechs Monate alt und also schon so herangewachsen, daß sie dir sehr zu schaffen machen können. Ein junger, halbjähriger Bär, der in der Wildnis, nicht in der Gefangenschaft geboren worden ist, kann unter Umständen die ganze Kraft eines Mannes in Anspruch nehmen, und hier haben wir es höchstwahrscheinlich nicht bloß mit einem, sondern mit mehreren zu tun.“
    Ich war gezwungen, die alte Bärin auf mich allein zu nehmen, denn Halef war kein Bärenjäger und hätte nicht nur sich und mich in große Gefahr bringen, sondern auch in Beziehung auf die Kelhur unsere Pläne vollständig zunichte machen können. Damit er sich aber nicht dadurch zurückgestellt fühle, bedurfte es eines Hinweises darauf, daß die Rolle, welche ihm zufiel, auch schon den ganzen Mut eines Mannes erfordere. Daher meine letzten Worte, durch welche ich auch meine Absicht zu erreichen schien, denn er fragte in beruhigtem Ton:
    „So meinst du also, daß es nicht so leicht ist, es mit solchen Abkömmlingen einer Bärin der Unsterblichkeit aufzunehmen?“
    „Ganz und gar nicht leicht. Dazu kommt die große Liebe, welche so ein Tier für seine Jungen hegt. Wer sich gegen diese feindlich zeigt, auf den stürzt sie sich mit einer Wut, die keine Grenzen kennt; sie wendet sich in diesem Falle, um nur ihre Jungen zu verteidigen, von ihren eigenen Angreifern ab. Du siehst also, daß du nicht weniger Mut als ich zu zeigen haben wirst; ja, es ist sogar möglich, daß du dich beim Angriff auf die Jungen in viel größerer Gefahr befindest als ich, weil du dadurch sehr leicht zwischen die Tatzen und Zähne der Alten geraten kannst.“
    „Das macht mich glücklich, Effendi, sehr glücklich! Ich sehe jetzt ein, daß du mich nicht für so eine alte Tahunet el Bunn (Kaffeemühle) hältst, wie ich vorhin dachte, und darum bin ich damit einverstanden, daß mir die Söhne und Töchter der Bärin zufallen sollen.“
    „Schön! Aber vergiß nicht, daß wir nicht schießen dürfen!“
    „Oh, ich werde nichts als mein Messer brauchen, und die jungen Abkömmlinge der vermeintlichen

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