29 - Im Lande des Mahdi III
Ohren ein ganz klein wenig spielen, senkte dann den Kopf, nahm ein Maul voll Zweige – begann zu fressen! Mein Zweck war erreicht; ich blieb zwar nur wenige Augenblicke liegen, aber es war mir doch trotz der Kürze dieser Zeit, als ob der Rappe ein ganz anderes Aussehen bekommen hätte, und ich glaube kaum, daß ich mich darin täuschte.
Nun umkroch ich die Wiesenzunge, um meine unterbrochene Rekognoszierung fortzusetzen. Sie nahm keine lange Zeit in Anspruch, denn ich wurde nicht gestört und hatte in Beziehung auf das Terrain gar keine Hindernisse zu überwinden. Bald kannte ich den geradesten Weg, der von der Wiese hinüber zur Kapelle führte, und stieg nun wieder den Berg empor, um zu Halef zurückzukehren. Er hatte eine so schnelle Lösung meiner erst so schwierig erscheinenden Aufgabe nicht erwartet und freute sich um so mehr darüber, als er daraus auf eine günstige Lage der Verhältnisse schließen konnte.
„Hamdullillah – Preis sein Allah“, sagte er, „daß du schon wieder da bist! Ich dachte schon darüber nach, wen ich zuerst erschießen sollte, wenn du nicht wiederkommen würdest, den Scheik oder seine dreihundert Schufte; am liebsten hätte ich ihn mir bis ganz zuletzt aufgehoben, um ihn solange wie möglich mit der Angst vor dem Tod zu quälen. Was hast du gesehen und gehört? Wo sind unsere Pferde und wo die Gefangenen? Hast du den Scheik belauscht und wann will er die Bebbeh nach der Musallah schaffen? Sind die zehntausend Piaster schwer zu erlangen und werden wir mit List durchkommen oder zu den Waffen greifen müssen? Hat Rih dich gesehen und – – –“
„Halt ein mit deinen Fragen!“ unterbrach ich ihn. „Wir müssen uns beeilen; später wirst du alles erfahren. Jetzt komm!“
Ich nahm meine Gewehre, hing sie über und führte ihn den Berg hinab nach einer Stelle, wo wir, zwischen Büschen gut versteckt, die Kelhur sehen konnten, wenn sie vorübergingen, um die Bebbeh nach der Musallah zu schaffen. Kurz bevor wir diese Stelle erreichten, sahen wir eine Bärenfährte und sprachen sie an. War das ein gewaltiger Petz, der hier herübergewechselt hatte! Die Sohlen waren von einer Stärke, wie ich sie fast noch bei keinem Grizzly bemerkt hatte, doch mit sehr kurzen, stumpfen Krallen; es mußte ein hochbetagter Kerl sein oder vielmehr kein Kerl, sondern eine Lady, denn nicht weit davon stießen wir auf die Tritte einiger Bärenbabys und hatten es also mit der Mama und ihren Kindern zu tun. Leider konnten wir nur wenige Augenblicke auf diese Spuren verwenden, denn grad da, wo sie sich befanden, gab es keine Deckung, und wenn wir uns sehen ließen, riskierten wir nicht nur das Gelingen unserer Pläne, sondern auch das Leben. Wir suchten also die erwähnten Sträucher auf, krochen hinein und zogen die Zweige so über uns zusammen, daß wir zwar hinausblicken, aber von draußen aus nicht gesehen werden konnten. Als wir nun wartend hier nebeneinander lagen, wollte Halef seine Fragen von vorhin wiederholen; ich verwies ihn aber auf später und er mußte sich bescheiden.
Die Sonne war längst hinter den Bergen verschwunden und es begann bereits zu dunkeln, als wir endlich die Kelhur kommen sahen. Es waren bei weitem nicht alle dreihundert, sondern etwa nur zwanzig Mann. Der Scheik schritt voran. Hinter ihm wurden die beiden Bebbeh von je vier Männern getragen; die übrigen folgten neben oder hinter ihnen her. Diejenigen, welche nicht Träger waren, hielten ihre Gewehre ängstlich schußbereit, denn man näherte sich dem Geisterbären, der auch einmal auf den Gedanken kommen konnte, seinen Umgang zu einer früheren Zeit als gewöhnlich zu unternehmen. Man hatte die beiden Gefangenen mit dem Rücken auf die Pfähle gelegt und sie mittels Riemen so sorgfältig daran festgebunden, daß es allerdings der Gewalt von Bärenkrallen bedurfte, um sie ohne Messer davon loszubringen. Dann waren sie so dick mit Honig beschmiert worden, daß wir ihn beim Vorübertransport heruntertropfen sahen. Einer der Kelhur trug noch Waben nebenher, wozu, das konnten wir bald darauf beobachten.
Wir folgten ihnen mit gespannten Blicken, bis sie alle drüben im Innern der Kapelle verschwunden waren. Nach zehn Minuten kamen sie wieder heraus. Drei liefen, als ob sie einen raschen Botengang zu besorgen hätten, an uns vorüber nach dem Lager zurück, und andere gingen, während die übrigen bei der Musallah warteten, langsam und äußerst vorsichtig von dort aus nach den Felswandtrümmern, wobei sie sich von Zeit
Weitere Kostenlose Bücher