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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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werden erst in später Nacht erscheinen; noch kann uns also vielleicht Mohammed einen Retter senden; der Christ bleibt uns übrig bis zum letzten Augenblick!“
    In der schrecklichen Lage der beiden Bebbeh klang diese spitzfindige Klügelei geradezu zum Erbarmen; das fühlte Halef auch; er flüsterte mir zu:
    „Effendi, wenn das nicht zum Weinen wäre, würde es zum Lachen sein! Ich weiß, wer stärker ist, Christus oder Mohammed. Wollen wir nicht dafür sorgen, daß diese Bebbeh es auch erfahren?“
    „Das haben wir nicht nötig“, antwortete ich ebenso leise; „sie werden schon selbst dafür sorgen; warten wir es nur ab! Sei still; wir wollen weiter hören!“
    Was wir noch hörten, war nichts Wichtiges für uns. Sie ächzten und stöhnten abwechselnd; sie machten einander Vorwürfe; sie beteten zu Allah, zu Mohammed und seinen Nachfolgern; das widerstrebte mir so, daß ich mich schon erheben wollte, um hineinzugehen und sie loszubinden, als Aqil plötzlich einen Schrei ausstieß und dann seinem Sohne zurief: „Allah sei uns barmherzig! Siehst du den Bären dort an der Tür?!“
    „Ich sehe ihn“, antwortete Ssali. „Es ist ein junger. Oh, Allah, o Prophet, o Mekka, o heilige Kaaba, unser Martertod wird jetzt beginnen!“
    Unsere Blicke reichten auch bis zur Tür. Ja, dort stand wirklich ein junger Bär! Er war ganz gewiß sieben Männerfäuste hoch und dementsprechend lang und stark; der Milch schon längst entwöhnt, war er von seiner Mutter gewiß nicht nur mit Früchten, sondern schon mit Wildbret aller Arten bedacht worden; das sah man ihm an. Ein kleines Baby war er nicht mehr, er steckte schon tüchtig in der Flegelzeit, und Halef raunte mir, meinen Arm ergreifend, eifrig zu:
    „Oh, Sihdi, das ist ein Bär, wirklich einer! So groß habe ich mir die kleinen Kinder der alten Mutter nicht gedacht! Der wird keinen Spaß verstehen! Soll ich hinein zu ihm und ihm sagen, daß ich sein Fell zu einem Teppich brauche?“
    „Nein, nein; warte! Der Angriff auf ihn würde die Alte, die jedenfalls auch schon in der Nähe ist, wütend machen. Du darfst auf keinen Fall eher hinein als ich!“
    Indem wir diese hastigen Worte schnell miteinander wechselten, war der Bär mit einer Honigwabe beschäftigt, welche die Kelhur nahe der Schwelle hingelegt hatten. Er nahm sie zwischen die Vorderkrallen, richtete sich auf und begann, sie in einer Weise zu verzehren, die man hätte drollig finden müssen, wenn die Situation eine andere gewesen wäre.
    Die Bebbeh waren für einige Zeit vor Angst ganz still; dann flossen die Stoßgebete ohne Pause von ihren Lippen, doch gar nicht laut, um nicht den Bären durch die Stimmen aufmerksam zu machen. Plötzlich erhielt er von hinten einen Stoß; er fiel vornüber und trollte, ohne sich nach der Ursache umzusehen, einige Schritte weiter bis dahin, wo wieder ein Stück Honig lag; hinter ihm war ein zweites Junges erschienen, womöglich größer und stärker noch als er. Die Stoßseufzer der Bebbeh wurden lauter und lauter; der Name Mohammeds ertönte von Sekunde zu Sekunde von ihren Lippen, und der Ton dieser Ausrufungen bewies, daß ihre Angst sich ebenso schnell vergrößerte. Als hinter dem zweiten nun gar noch ein dritter Bär, auch ein junger, hereingehumpelt kam, gab es keine Rücksicht mehr darauf, daß sie durch ihre Stimmen die Alte herbeilocken würden; sie schrien, als ob sie schon angebissen würden. Allerdings stand der erste Petz schon unter Aqil und leckte mit Behagen von dem Honig, der sich dort angesammelt hatte; der zweite leistete ihm einige Augenblicke später Gesellschaft, während der dritte bald bei Ssali stand, um da dieselbe Arbeit vorzunehmen. Das war ein Schlürfen und Schmatzen, fast wie an einer feinen Hoteltafel, wenn die Suppe serviert worden ist und kein Mensch auf den Ekel und Abscheu seines Nachbarn Rücksicht nimmt. Bär bleibt eben Bär, im kurdischen Hochgebirge und an der Table d'hôte in Cannes, Baden-Baden oder Scheveningen!
    Die beiden ersten Gourmands hatten die Pfütze schnell aufgeleckt; sie merkten, daß die Süßigkeit sich nach oben fortsetzte, und richteten sich auf, indem sie ihre Krallen an die Füße und Unterschenkel Aqils legten. Dieser schrie nicht mehr: er brüllte!
    „Oh, Effendi, lieber Effendi, wir müssen hinein, sonst sind sie verloren!“ forderte mich Halef halblaut auf.
    Er wollte wirklich aufstehen; ich drückte ihn fest nieder und antwortete: „Du bleibst! Ich weiß nicht, wo die alte Bärin bleibt; sie könnte uns von

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