Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
hinten fassen!“
    Ich lauschte in die Nacht hinaus, konnte aber nichts von ihr hören, denn die Bebbeh ließen jetzt ihre Stimmen so laut erschallen, daß man sie ganz gewiß drüben im Lager der Kelhur hörte. Das Ausbleiben der Bärin war mir bedenklich; die Jungen waren zwar ihrer Brust schon längst entwachsen, aber sie so ganz selbständig und ohne Aufsicht in der Nacht herumlaufen zu lassen, das tat sie ganz gewiß nicht, ohne daß ihre Aufmerksamkeit von ihnen ab und auf etwas Wichtiges gelenkt worden war. Sollte ihre Nase auf unsere Spur geraten sein? Oder machten ihr die vielen Spuren der Kurden zu schaffen!
    „Ducke dich ganz nieder, und rühr dich nicht!“ forderte ich Halef auf. „Die Alte kann jeden Augenblick da um die Ecke kommen!“
    Das Messer halb aus dem Gürtel gezogen, hielt ich den schweren Bärentöter bei den Läufen zum Hieb bereit. Meine Befürchtung hatte mich nicht getäuscht: eine in der nächtlichen Finsternis helldunkel scheinende Gestalt von riesigen Umrissen schob sich langsam hinter der Mauer hervor. Schon glaubte ich, der Augenblick sei da, an dem es heißen würde: die Bärin oder ich! Da wurde das Geschrei der Bebbeh von einem Laut übertönt, der weder Brummen noch Winseln, weder Pfeifen noch Kreischen und doch alles dieses war, und sofort sah ich die Gestalt verschwinden. Ein schneller Blick in das Innere der Musallah zeigte mir die Ursache: die beiden Bären, welche sich an Aqil aufgerichtet hatten, waren in Streit miteinander geraten und bearbeiteten sich mit den Krallen, wobei auch Aqils Beine nicht verschont blieben, was sein Gebrüll verdoppelte. Die Bärin hatte wirklich zu mir und Halef gewollt, war aber in Sorge um ihre Jungen rasch wieder umgekehrt und erschien nun in der Tür.
    Fast hätte ich sie für eine Eisbärin halten können, wenn ihr Kopf länger und die Schnauze spitzer gewesen wäre. Sie war fast reinweiß bei weit über zwei Meter Länge und anderthalb Meter Schulterhöhe, ein außerordentlich und selten großes und starkes Tier. Das eine Ohr fehlte ihr; sie mochte es im Kampf mit dem Herrn Ehegemahl oder einem andern nicht gentlemanliken Signor verloren haben. Sie stand nur einen Augenblick still unter der Tür, das war aber ganz genügend, zu zeigen, daß ein kleiner Hieb ihrer Vordertatze genügte, den stärksten Mann niederzuschlagen. Während der Hälfte dieses Augenblickes herrschte lautloses Schweigen; ihr Anblick raubte den beiden Bebbeh den Atem; dann brachen sie aber um so lauter los.
    „Allah, Allah!“ schrie Aqil. „Jetzt ist es da, das Ungeheuer; jetzt ist er da, der Tod! Nun gibt es keine Rettung mehr!“
    Und zu gleicher Zeit heulte sein Sohn:
    „Das ist der Geist des Priesters, der uns fressen wird! Das ist der Rachen des Todes, in dem wir verschwinden werden! Hilf uns, o Allah! Hilf uns, o Prophet aller Gläubigen! Errette uns, o – – –“
    „Schweig!“ donnerte ihn da sein Vater an. „Mit der Macht des Propheten ist's zu Ende! Bedenke – – –“
    Ich horchte nicht weiter auf sie, denn der Augenblick war für uns gekommen.
    „Laß mich erst allein hinein; du bist mir sonst im Weg, Halef!“ befahl ich dem Hadschi, indem ich aufstand.
    Den Stutzen ließ ich fallen; er war im Weg. Dafür nahm ich das Messer zwischen die Zähne und den Bärentöter hoch, nicht zum Hieb, sondern zunächst zum Stoß, denn ich wußte, wie es nun kommen mußte. Die Bärin war mit zwei, drei raschen Bewegungen zu den zankenden Jungen gekommen und warf sie beide mit einem vorsichtigen Tatzenhieb auf die Seite. Dann richtete sie sich langsam und drohend vor Aqil auf, welcher voller Entsetzen zeterte:
    „Hilf, o Gott der Christen! Hilf, o Isa Ben Marryam, da uns kein anderer helfen kann!“
    Und in derselben Todesangst wimmerte Ssali Ben Aqil:
    „Rette uns, o Gekreuzigter; rette uns! Es ist keine Macht im Himmel und auf der Erden als bei dir allein – – –“
    Mehr hörte ich nicht, denn in diesem Moment lag mein ganzes Leben in meinen Augen und in meinen Fäusten. Ich schnellte mich über die schon erwähnten Steine hinein und rannte der Bärin den schweren Kolben unter den erhobenen Vorderpranken gegen die Rippen, daß sie lang auf die Seite niederfiel. Das hatte ich beabsichtigt, denn nur in dieser Lage bot sie mir die Schnauze zum betäubenden Hiebe; der Schädel war zu dick dazu. Noch war sie im Stürzen, da hob ich den Kolben schon hoch; er sauste nieder und traf so gut, daß das Ungetüm alle vier Beine steif von sich

Weitere Kostenlose Bücher