29 - Im Lande des Mahdi III
streckte. Ich wußte gar wohl, daß diese Betäubung eine schnell vorübergehende sei. Das Gewehr wegwerfend, nahm ich das Messer aus dem Mund – zwei, drei rasche Stiche bis an das Heft zwischen die bewußten zwei Rippen; dann sprang ich auf die Seite und stürzte dabei über den jungen Bär, der noch bei Ssali Ben Aqil stand. Ich hatte nicht anders weichen können, raffte mich wieder auf und sah da, daß Halef mir rascher gefolgt war, als er sollte. Er hatte nahe der Bärin ein Junges gepackt, welches nach ihm schlug und biß, so daß er keinen sichern Stoß für sein Messer fand. Ich eilte zu ihm hin und riß ihn zurück.
„Um Gotteswillen, fort von der Alten!“ rief ich ihm zu. „Noch wissen wir nicht, ob ihr mein Messer wirklich ins Leben gefahren ist!“
Der kleine Kerl sah mir lächelnd in das Gesicht und antwortete, auf die Bärin deutend: „Dein Messer, und nicht richtig treffen! Das kann gar nie geschehen! Sieh den Strom des Blutes, der ihr aus dem Herzen rinnt! Schau, daß sie nicht mehr zucken kann! Es ist nur noch das letzte Zittern des Scheidens von der Erde, welches leise ihr Fell bewegt. Ihre Seele hat den Leib bereits verlassen, und ihr Geist schweift nun ohne Wohnung über die Wälder des Gebirges hin. Dein erster Stoß hat sie niedergeworfen; dein Kolbenschlag hat ihr das Gebiß und die ganze Zierde des Angesichtes zerschmettert, und die Spitze deiner Klinge hat die Musallah el Amwat von dem Gespenst befreit, welches in ein lebendiges Bärenfell gewickelt war. Dein Werk ist vollbracht; nun mag das meinige beginnen. Ich bitte dich, o Effendi, mir deinen Katil ed Dubeb (Bärenmörder) zu leihen, weil die Kinder in ganz genau derselben Weise aus dem Dasein wandeln sollen, wie ihre Mutter es verlassen hat!“
Während er dies sagte, hielt ich den Blick scharf auf die Bärin gerichtet, bereit, ihr schnell, wenn nötig, noch einen Messerstoß zu geben; es war überflüssig; die Klinge hatte das Herz durchbohrt. Indem ich nun die Aufmerksamkeit eines Jungen auf mich lenkte, schlug Halef es mit dem Bärentöter nieder und gab ihm dann den richtigen Messerstoß. So machten wir es auch mit den beiden anderen, und als wir dann vor den vier Tierleichen standen, waren seit dem Augenblick meines Einschreitens wohl kaum mehr als zwei Minuten vergangen, ein über alles Erwarten glückliches Gelingen, welches wir nicht mit dem kleinsten Hautritz zu bezahlen hatten.
Nun konnten wir unsere Aufmerksamkeit den Bebbeh schenken. Sie hielten beide die Augen geschlossen und gaben, als ob sie nicht mehr am Leben seien, keinen Laut von sich. Das ärgerte meinen kleinen Hadschi, welcher glaubte, ihren lauten Dank verdient zu haben. Er rief sie an:
„So öffnet doch eure Augen, ihr großen Helden vom Stamm der Bebbeh! Oder meint ihr, daß ihr mit zu den Bären gehört, die wir erschlagen haben? Da müßten wir euch auch noch unsere Messer zu fühlen geben!“
Da schlugen sie die Augen auf.
„Kara Ben Nemsi!“ rief Aqil.
„Ja, er ist's; er ist es wirklich, der Hadschi Emir Kara Ben Nemsi Effendi!“ stimmte Ssali bei. „Und hier steht auch der kleine, tapfere Hadschi Halef Omar! Sehe ich euch in Wirklichkeit, oder ist's ein Traum, in den ich durch den Tod versetzt worden bin?“
„Maschallah! Kann man nach dem Tod auch noch träumen?“ lachte Halef. „Ihr seht uns hier in voller Wirklichkeit, denn ich sage euch, wir haben keine Lust, nichts als nur Traumgestalten zu sein!“
„Also wirklich, wirklich! Wie aber seid ihr hierher nach der Musallah el Amwat gekommen?“
„Ganz so, wie ihr es vorhin zueinander sagtet: Wir ritten den Hunden der Kelhur nach, um ihnen unsere Pferde wieder abzunehmen und euch zu befreien.“
„Uns befreien?“ fragte er in zweifelndem Ton. „Uns zu befreien! Scherzt du vielleicht, Hadschi Halef Omar!“
„Wie kannst du diese Frage aussprechen! Schau die gewaltigen Glieder dieser Bären an und die zwölf Krallenfüße ihrer Jungen! Sieht das so aus, als ob wir hier einen Scherz getrieben hätten?“
„Allah 'l Allah! So ist es wirklich euer Ernst gewesen, uns zu retten?“
„Ja.“
„Dann ist unser Gebet zu dem Gekreuzigten das richtige gewesen! Aber, verzeiht! Wir haben euch beleidigt, euch um die Pferde gebracht und euch nach dem Leben getrachtet. Wir können darum nicht eher an eure Güte glauben, als bis ihr uns hier losgebunden habt!“
„Wir haben beschlossen, dies zu tun, doch nur unter der Bedingung, daß ihr ein Verlangen nicht an uns stellt, welches wir
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