29 - Im Lande des Mahdi III
nicht befriedigen könnten.“
„Welches Verlangen meinst du?“
Halef, der stets den Schalk im Nacken hatte und selbst der ernstesten Situation eine heitere Seite abzugewinnen wußte, antwortete in hoheitsvollem Ton:
„Wir werden euch nur dann losbinden, wenn ihr nicht etwa verlangt, daß wir euch auch noch ablecken sollen! Unser Kismet sagt nichts davon, daß wir diese Arbeit da fortsetzen sollen, wo die Bären darin unterbrochen worden sind.“
Ssali wußte nicht, was er hierauf sagen sollte. Ich überhob ihn der Antwort, indem ich begann, seinen Pfahl zu lockern, um ihn mit demselben umzulegen, wo dann das Losmachen leichter und bequemer als im Hängen war. Bald waren wir fertig damit, und als sie nun mit freien Gliedern vor uns standen und aus nicht mehr beengter Brust tief Atem holten, geschah etwas, oder vielmehr, geschah zweierlei, was ich beiden nicht zugetraut hätte. Aqil nämlich, der Räuber und Mörder, der bisher so gefühl- und gewissenlose Mensch, warf sich auf den Boden nieder und begann, laut wie ein Kind zu weinen. Die ausgestandene, furchtbare Todesangst hatte ihn so tief erschüttert, daß er sich nicht halten konnte. Und Ssali, sein Sohn, ergriff meine beiden Hände, sank vor mir in die Knie und sagte:
„Du hast gesiegt, Emir, wie so oft über deine Feinde; aber diesen Sieg hast du nicht für dich errungen, sondern für einen, der weit höher steht als du. Gott ist die Liebe; du hast es gesagt, und ich glaubte es nicht; nun aber wäre ich blind, wenn ich nicht sähe, daß du die Wahrheit besitzest, während ich im Irrtum wandelte. Du hast uns, deine Feinde, aus den Krallen des Todes befreit; wir sind dein Eigentum und legen unser Schicksal in deine Hände.“
Ich zog ihn empor und antwortete:
„Knie nicht vor einem Menschen! Nur vor Gott und seinen Stellvertretern soll man sich beugen; ich aber bin ein Sünder so wie du. Seid ihr wirklich bereit, euer Schicksal ganz in meine Hände zu legen?“
„Ja. Ohne euch wären wir zerrissen und aufgefressen worden. Mach mit uns, was du willst! Wirst du uns den Kelhur wieder ausliefern?“
„Nein. Ihr seid frei.“
„Allah! Das wäre zuviel! Mußt du nicht wenigstens meinen Vater nach Khoi bringen, um ihn für den Raub der zehntausend Piaster bestrafen zu lassen?“
„Ich bin nicht Polizist von Khoi. Was ihr gegen uns begangen habt, das haben wir euch vergeben, und die Händel, welche ihr mit andern hattet, die gehen uns nichts an. Wir haben kein Recht über euch; mag Allah euer Richter sein! Ihr seid also frei und könntet eigentlich jetzt gehen, wohin ihr wollt, aber ich bitte euch, wenigstens noch bis morgen früh bei uns zu bleiben, weil wir sonst wahrscheinlich verhindert sein würden, das zu tun, was wir zu tun versprochen haben.“
„Oh, Emir, du hast nicht zu bitten, sondern nur zu befehlen! Unsere Herzen sind voller Dankbarkeit für euch; alle Feindschaft, die wir gegen euch hegten, ist zu Ende, und wir werden alles, alles tun, was du von uns nur fordern kannst.“
„Was ich von euch wünsche, ist nur, daß ihr bei uns bleibt und euch ruhig verhaltet. Ich will den Kelhur noch heut in der Nacht unsere Pferde entführen, und ich will Schir Samurek, ihren Scheik, ohne daß sie es merken, aus ihrem Lager holen; ihr aber sollt euch ruhig verhalten, bis dieses beides geschehen ist. Dies ist es, was ich von euch verlange.“
„Was sagst du da, Effendi? Was willst du tun? Eure Pferde entführen, das ist schwer, sehr schwer, aber doch nicht unmöglich. Aber den Scheik auch entführen, das kannst selbst du nicht fertigbringen!“
Da fiel Halef eifrig ein:
„Wie darfst du meinem Sihdi solche Worte sagen! Er tut stets das, was er sich vorgenommen hat, und für ihn ist das oft leicht, was andere für unmöglich halten. Wenn er Schir Samurek herausholen will, so holt er ihn; darauf kannst du dich verlassen! Siehst du denn nicht, daß ich auch da bin, der ich mit ihm schon so viel vollbracht habe? Was wir durchführen wollen, das führen wir durch, und dabei bleibt es sich ganz gleich, ob er bei mir ist oder ob ich bei ihm bin; die Hauptsache ist ja, daß wir beisammen sind! Wir haben die Bären der Unsterblichkeit erlegt und euch aus ihren Tatzen befreit. Ist das nicht schwerer, viel schwerer, als zwei Pferde und einen Scheik aus dem Lager zu entführen?“
„Für mich würde beides unmöglich sein; ihr aber seid Männer, deren Pläne und Taten man nicht hindern kann, und darum darf ich euch nicht entgegenreden. Welchen Grund aber
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