29 - Im Lande des Mahdi III
scheu.
„Wir sind noch nicht weit genug vom Lager entfernt“, meinte Ben Nil. „Wir müssen viel weiter in den Maijeh hinein.“
Da ich die Bemerkung Ben Nils für richtig hielt, kehrten wir nach dem Boot zurück und fuhren eine bedeutende Strecke am Ufer hin, bis wir an eine schmale Bucht kamen, welche sich links in das Land zog. Ich steuerte da hinein. Selim warf den Blick umher und sagte:
„Hier werden wir finden, was wir suchen. Steigen wir nun aus!“
Er zog, ohne auf meinen Befehl zu warten, das Ruder ein. Wir waren noch mehrere Ellen vom Ufer entfernt, an welchem sich eine Art Halbinsel von auf deren Oberfläche grünendem Sumpfgras angesammelt hatte. Dadurch, daß Selim sein Ruder einzog, bekam das Boot eine Wendung, welche ich mit dem Steuer unmöglich sofort korrigieren konnte; wir gerieten mit der Spitze des Fahrzeuges in das Sumpfgras; Selim hielt die schwimmende Halbinsel für festes Land und – – –
„Halt!“ rief ich ihm zu. „Bleib, du brichst durch!“
Aber noch schneller, als ich sprechen konnte, hatte er sich aufgerichtet und den Sprung getan. Meine Worte erfüllten sich buchstäblich – er brach durch und verschwand unter dem verräterischen Grün des Sumpfgrases. Unser leichtes Boot geriet durch den Sprung des unvorsichtigen Menschen in gefährliches Schwanken; es wollte mit der Backbordseite Wasser fassen; darum neigte ich mich rasch nach der rechten Seite, um die linke emporzubringen. In diesem Augenblick tauchte Selim gerade an der letzteren wieder auf, hielt sich am tief geneigten Bootsrand krampfhaft fest und brüllte:
„Ich ertrinke! Hilfe, Hilfe!“
„Nimm die Beine hoch; schwimme!“ rief ich ihm zu. „Du stürzt sonst das Boot um!“
„Ich will hinein, hinein!“ zeterte er. „Die Krokodile kommen, die Krokodile! Hebt mich hinein! Schnell, schnell, sonst fressen sie mich!“
Es war kein Krokodil zu sehen; dennoch blieb der Kerl vor Entsetzen steif und schwer am Boot hängen, so daß sich dasselbe nicht aufzurichten vermochte.
„Ben Nil, schnell auf die andere Seite, sonst kentern wir!“ gebot ich meinem jungen Gefährten.
Dieser wollte gehorchen und rückte nach rechts, von Selim ab. Dies vergrößerte die Angst des letzeren, welcher schrie:
„Nicht fortrücken; bleib da; zieh mich hinein! Sie kommen; sie kommen!“
Er zog sich aus Furcht vor den Krokodilen, die es doch gar nicht gab, am Rand des Bootes in die Höhe und langte nach Ben Nil. Die seitige Last war für das leichte Fahrzeug zu schwer; es faßte Wasser und kippte, da Selim trotzdem nicht losließ, um. Der alte Pechvogel verschwand wieder in der Tiefe; auch Ben Nil ging unter, mit ihm unsere Gewehre, welche auf dem Boden des Fahrzeuges gelegen hatten. Nur ich blieb an der Oberfläche, da ich so vorsichtig gewesen war, die Arme und Beine sofort zum Schwimmen auszubreiten. Ben Nil kam rasch wieder empor.
„Wo ist Selim?“ fragte er, als er diesen nicht sah.
„Unten. Tauchen wir nach ihm, sonst ertrinkt er uns.“
Nach dieser Aufforderung ließ ich mich sinken und wurde augenblicklich an einem Bein gepackt. Ich arbeitete mich empor und schwamm, Selim nach mir ziehend, dem Ufer zu. Er hing so fest an meinen Beinen, daß er selbst dann, als ich mich auf dem Trockenen befand, nicht losließ. Halb im Wasser und halb am Land liegend, hatte er die Augen fest geschlossen und bewegte sich nicht. Ich mußte Kraft anwenden, um mich von seinem krampfhaften Griff zu befreien.
„Er ist doch nicht tot?“ fragte Ben Nil, welcher auch an das Ufer kam.
„Nein. So schnell ertrinkt niemand.“
„Aber ohne Besinnung. Ich will versuchen, ob er mich hört. Selim, Selim! Mach doch die Augen auf!“
Er folgte dieser Aufforderung, sah uns an, kam sofort vollends an das Land, sah voller Angst nach dem Wasser rückwärts und schrie:
„Wo sind die Krokodile, wo? Schnell, fort von hier!“
Er wollte wirklich fort. Ich hielt ihn fest und gebot:
„Bleib, Feigling! Kein Krokodil wird so dumm sein, dich für einen guten Bissen zu halten. Du bist vollständig sicher hier. Es gibt kein Krokodil in der Nähe, aber mit unserer Jagd ist es nun auch zu Ende. Das kommt davon, daß wir dich mitgenommen haben. Ich wußte doch, daß es ohne irgendeine Dummheit nicht abgehen werde.“
Dieses Wort brachte ihn vollständig wieder zu sich. Er sah, daß keine Gefahr vorhanden war, Grund genug für ihn, eine möglichst würdevolle Haltung einzunehmen und mir in beleidigtem Ton zu antworten:
„Sprich ja nicht so,
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