29 - Im Lande des Mahdi III
albern gewesen; freilich konnte es mir auch nicht einfallen, ihm die Wahrheit zu sagen. Ich antwortete auf seine Frage:
„Wir drei kommen den Fluß herauf.“
„Weiter niemand?“
„Nein.“
„Lüge nicht, Giaur!“
„Ich sage die Wahrheit.“
„Nein, du lügst; dein Boot verrät dich. Solche Boote gibt es hier nicht; es kommt weiter her; es gehört zu einem Schiff. Und das Schiff wird dasjenige der Raïs Effendina sein. Gestehe es! Von wem hast du das Boot?“
Ich beschloß, diesmal die Wahrheit zu sagen, damit er das weitere nicht bezweifeln möge; darum antwortete ich ihm:
„Vom Raïs Effendina.“
„Dachte es mir! Wo liegt sein Schiff?“
„Unten im Fluß, anderthalb Bootstagereise von hier.“
„Das soll ich glauben? Warum seid ihr nicht auch dort?“
„Weil er uns vorausgesandt hat, damit wir hier im Maijeh Nilpferdfallen stellen; unsere Asaker sollten übermorgen bei ihrer Ankunft gleich Fleisch finden.“
„Was wollt ihr überhaupt hier oben?“
„Wir suchen Ibn Asl.“
„Ah! Kennt ihr denn seine Seribah nicht?“
„Nein. Wir werden sie aber noch erfahren.“
„Ihr werdet nichts weiter erfahren, als wie es in der Hölle aussieht, denn ehe die Sonne gesunken ist, seid ihr tot. Seid ihr während eurer Fahrt auf keiner Seribah eingekehrt?“
„Wir hielten bei der Seribah Aliab an.“
„Wem gehört sie?“
„Einem alten, lahmen Mann, welcher mit den Anwohnern des Flusses Handel treibt.“
„Vielleicht Sklavenhandel?“
„Nein. Er ist ein ehrlicher Mann und verkauft nur Waren.“
Da lachte er laut und höhnisch auf und sagte:
„So dumm kann doch nur ein Christ, ein verdammter Giaur sein! Mensch, um dein Gehirn muß es traurig stehen! Du hast dich von diesem ‚ehrlichen Mann‘ fürchterlich betrügen lassen. Wisse, diese Seribah Aliab gehört Ibn Asl, und der alte, lahme Mann, der sich für einen Händler ausgegeben hat, ist der Feldwebel des Sklavenjägers!“
„Alle Wetter!“ rief ich aus, indem ich mich überrascht stellte.
„Ja, so ist es! Ihr wollt Ibn Asl fangen. Lächerlich! Er ist längst nicht mehr da, wo ihr ihn sucht.“
„Wo ist er denn?“ fragte ich in beabsichtigter Naivität.
„Wo er ist? Meinst du, daß ich dir das sagen werde?“ lachte er, fügte aber, schnell wieder ernst werdend, hinzu: „Doch ja, ich will es dir sagen, um dir zu beweisen, daß wir dich nicht mehr zu fürchten brauchen, daß du verloren bist. Ibn Asl ist mit über zweihundert Kriegern nach Wagunda, um die dortigen Gohk-Neger zu Sklaven zu machen.“
„Warum gingst du nicht mit? Fürchtetest du dich?“
„Fürchten? Ich? Ich sollte dir eigentlich die Antwort auf diese Frage ins Gesicht hineinschlagen! Ich bin mit dem Mokkadem hier zurückgeblieben, weil Ibn Asl, sobald er Sklaven gemacht hat, den Weg gerade nach hier einschlagen wird. Wir bauen hier eine neue Seribah, nur leichte Hütten einstweilen, in denen die Sklaven, sobald sie kommen, untergebracht werden sollen, bis wir Gelegenheit finden, sie sicher an den Mann zu bringen. Du sollst diese neue Seribah sehen, denn wir werden jetzt nach dort aufbrechen.“
Er hatte neun Männer bei sich. Je zwei von ihnen nahmen Ben Nil und Selim zwischen sich; die anderen fünf mußten mich bewachen, und er gebot ihnen, außerordentlich aufmerksam zu sein. Das Boot blieb am Ufer liegen, wo es mit dem Strick an einem Baum hing. Es sollte, wie ich hörte, später abgeholt werden.
Wir wurden fortgeführt, längs des Ufers hin. Nach kurzem hörte der Wald auf, und ich sah eine ziemlich weite, offene Grasfläche vor mir, welche bis an das Wasser trat. Dort wurde der Maijeh nur von einem schmalen Saum von Büschen eingefaßt. Diese Prärie war jedenfalls infolge eines Waldbrandes entstanden. Es ging über sie hinweg, wohl eine halbe Stunde lang; dann sahen wir, indem wir den Maijeh immer zur rechten Hand behielten, wieder Wald vor uns, an dessen Rand mehrere Hütten errichtet waren. Das kreisrunde Gemäuer derselben bestand aus Schlamm und Schilf. Die trichterförmig sich verjüngenden runden Dächer waren nur aus Schilf gefertigt. Diese Tokuls bildeten jedenfalls die neue, noch im Werden begriffene Seribah des Sklavenjägers.
Als wir uns derselben näherten, kamen uns vier Männer entgegen, drei mit afrikanischen Gesichtszügen. In dem vierten erkannte ich den Mokkadem der heiligen Kadirine. Wie staunte er, als er mich erblickte! Nachdem er seine Freude, mich als Gefangenen wieder bei sich zu sehen, einen mehr als reichlichen
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