29 - Im Lande des Mahdi III
riß die Zügel aus seinen erschlaffenden Händen und zog mit der andern Hand seinen jetzt wie leblosen Körper wieder an mich.
In diesem Augenblick hatte ich den Wald erreicht und mußte den Ochsen zügeln. Er gehorchte und schritt langsamer vorwärts. Dennoch war es nicht leicht, mich auf seinem Rücken zu halten, ohne den Muza'bir fallen oder mich von dem Gezweig abstreifen zu lassen. Später, als die Bäume dichter zusammentraten, sah ich mich gezwungen, abzusteigen. Ich ließ den Ochsen laufen, nahm den Muza'bir auf die Schulter und eilte der Stelle zu, an welcher ich das Boot wußte.
Es lag noch da. Ben Nil und Selim saßen, meiner ängstlich wartend, darin.
„Hamdullillah!“ rief mir der erstere, als er mich sah, entgegen. „Wie gut, daß du kommst! Wir hatten große Sorge um dich, Effendi. Aber wen bringst du da getragen? Das ist – bei Allah, das ist ja der Muza'bir!“
„Allerdings! Er wollte uns haben, und da haben wir ihn!“
„Welch ein Glück! Welch ein Streich von dir! Wie hast du das fertiggebracht?“
„Davon später. Jetzt müssen wir rasch fort, denn die Verfolger werden bald da sein.“
„Sie haben unsere Waffen und Sachen. Wollen wir ihnen das lassen?“
„Nur für einstweilen. Jetzt gilt es, von hier fortzukommen.“
„Direkt über den Maijeh?“
„Nein. Sie würden uns sehen und also erfahren, wohin wir uns wenden. Wir rudern immer nahe am Ufer zurück, wo sie uns nicht entdecken können. Sind wir dann unserer Nilpferdfalle gegenüber angekommen, so ist es inzwischen so dunkel geworden, daß sie unser Boot nicht mehr sehen können, wenn es quer über den Maijeh geht.“
Ich war während dieses kurzen Wortaustausches in das Boot getreten, hatte den besinnungslosen Muza'bir niedergelegt und mich dann an das Steuer gesetzt. Die beiden legten sich in die Ruder, und wir flogen, uns so nahe wie möglich an das Ufer haltend, unter den Bäumen dahin. Die Sonne stand schon tief hinter dem jenseitigen Wald, und mußte in einigen Minuten hinter dem Horizont verschwinden. Wir beeilten uns, bis dahin diejenige Stelle zu erreichen, an welcher wir, der Nilpferdfalle gegenüber, vorhin gelandet waren und vergeblich nach Federwild gesucht hatten. Während die beiden fleißig ruderten, erzählte ich, auf welche Weise es mir gelungen war, mich des Muza'bir zu bemächtigen. Als ich diese Mitteilung beendet hatte, sagte Ben Nil:
„Wer hätte das gedacht! Als man uns fortschleppte und von unserm Tode sprach, glaubte ich alles verloren. Und nun ist das Gegenteil geschehen; wir kehren als Sieger zurück, denn wir haben den Muza'bir gefangen.“
Er war meines Lobes voll; sein Mund floß über. Selim aber verhielt sich schweigend; er sagte kein Wort, so daß Ben Nil ihm unwillig zurief:
„Und du bist still? Kannst du dem Effendi nicht danken? Ohne ihn hingst du jetzt, gerade wie ich auch, an einem Baum!“
Selim begann nun wieder seine gewöhnlichen Prahlereien; ich gebot ihm aber Schweigen, weil wir an der ins Auge gefaßten Stelle angekommen waren und der Muza'bir sich zu regen begann. Wir legten an und fesselten den letzteren mit seinem eigenen Gürtel. Er ließ das geschehen, ohne einen Laut von sich zu geben oder nur den leisesten Versuch des Widerstandes zu machen.
Die Schatten des Waldes lagen schon längst auf dem Wasser; jetzt begann es zu dunkeln, und wir stießen nun wieder ab, um den Kiel gerade nach der Nilpferdfalle zu richten, wo das Schiff im Dunkel des Abends lag. In Anbetracht der Feinde, denen wir entkommen waren, war es mir lieb, daß kein Licht auf demselben brannte. Sie hätten es vielleicht doch drüben sehen können.
Der Raïs Effendina hatte Posten ausgestellt, befand sich aber bei den Tokuls der Bor. Wir begaben uns dorthin, indem wir den Muza'bir so fest zwischen uns nahmen, daß es keine Möglichkeit des Entkommens für ihn gab. Wie staunte der Emir, als er ihn sah und von mir hörte, was geschehen war! Man hatte schon ein Feuer angezündet. Er nahm den Gefangenen beim Arm, schob ihn näher zu der Flamme, warf einen finstern, forschenden Blick auf ihn und fuhr ihn dann an:
„Kennst du mich?“
Als der Gefragte nicht antwortete, wiederholte er:
„Weißt du, wer ich bin? Antworte, sonst laß ich dich hauen, daß dir das Fleisch von den Knochen fällt!“
„Du bist der Raïs Effendina“, erklang es in trotzigem Ton.
„Ja, der Raïs Effendina, der bin ich. Aber weißt du denn auch, was das für dich bedeutet? Als Raïs Effendina bin ich dein Richter, und
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