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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bemerkte. Da kam er zu uns herein und fragte, als er auch hier nichts sah, weil es bei uns dunkler war:
    „Ist jemand hier in diesem Loch?“
    „Ja“, antwortete Halef.
    „So macht euch doch auf, ihr Taugenichtse! Ich habe weder Lust noch Zeit zu warten, bis es euch gefällt, mich zu bedienen!“
    Ich kannte meinen Halef zu genau, um nicht zu wissen, was nun folgen würde. Er besaß ein höchst reges Ehrgefühl und ließ sich niemals ungestraft grob behandeln. Er schwieg zunächst.
    „Nun, wird es bald?“ fuhr der Fremde fort. „Wenn ihr nicht augenblicklich kommt, treibe ich euch mit der Peitsche in die Höhe!“
    Halef schwieg noch immer und auch mir fiel es nicht ein, ein Wort zu sagen. Da kam der Fremde einige Schritte näher, und ich hörte, daß er mit der Peitsche um sich schlug. Aus einem Geräusch neben mir entnahm ich, daß Halef aufsprang. Er war so klein, daß er mir kaum bis an die Schultern reichte; aber er besaß mehr Körperkraft, als man ihm zutraute und war dabei von einem Mut und einer Tapferkeit, daß ich ihn oft verwegen hatte nennen müssen. Gegen Feinde im Kampf wußte er sich seiner guten Waffen vortrefflich zu bedienen; für Beleidiger aber gebrauchte er lieber seine Peitsche aus Nilpferdhaut, die er sich von unserem Ritt durch Ägypten mitgebracht hatte und seitdem fast stets im Gürtel trug. Kurz und gut, kaum hatte ich das Geräusch der Peitsche des Fremden gehört und gleich darauf bemerkt, daß Halef aufsprang, so fielen klatschende Hiebe, von wem, das wußte ich nicht gleich, und zwar so schnell hintereinander, daß ich sie nicht zählen konnte, und die Stimme des Fremden ertönte in zeterndem Ton: „Allah 'l Allah! Wer wagt es da, auf mich zu schlagen! Wer ist es, der – – – el wail lak, meded, aman, meded Allah, ej wah, o jazyk – wehe dir, oh, zu Hilfe, wehe dir, wehe!“
    Nun wußte ich allerdings, wer der Schlagende und wer der Empfangende war. Der kleine Hadschi prügelte den Fremden durch, was ich leider nicht sehen konnte. Und zwar fielen die Hiebe so hageldicht, daß der Getroffene gar keine Zeit fand, sie mit seiner Peitsche zu parieren. Komisch war dabei, daß Halef seine Arbeit in tiefstem Schweigen verrichtete, während der Fremde überlaut schrie. Seine Interjektionen gehörten der arabischen und türkischen Sprache an, was mich annehmen ließ, daß er kein Kurde sei. Als er zu der Erkenntnis gekommen war, daß er der ihm so schweigend gebrachten, aber um so fühlbareren Aufnahme nicht gewachsen sei, versuchte er, aus unserer Abteilung zu entwischen, was ihm auch gelang, da er von Halef nicht daran gehindert wurde. Eben als er unsere Scheidewand hinter sich hatte, kam die Wirtin, von seinem Geschrei herbeigerufen, mit einigen Gesindepersonen zur Tür herein. Als er sie sah, rief er ihr entgegen:
    „Wer bist du? Bist du etwa das Weib des Sahib el Locanda (Des Wirtes)?“
    „Ja“, antwortete sie.
    „Wo ist dein Mann? Rufe ihn mir!“
    „Er ist nicht daheim.“
    „So schicke sofort zum Nezanum dieses Ortes! Ich muß augenblicklich mit ihm sprechen.“
    „Auch er ist nicht daheim.“
    „Ich muß ihn aber haben! Ich bin geschlagen worden und verlange, daß die Verbrecher, welche dies taten, sofort und auf das allerstrengste bestraft werden.“
    „Wer hat dich geschlagen?“
    „Die Hunde, welche dort hinter der Flechtwand stecken. Du bist die Herrin. Rufe sie hervor, sie müssen dir gehorchen!“
    Da antwortete die Wirtin verlegen:
    „Sie werden mir nicht gehorchen, denn sie gehören nicht in dieses Haus. Sie sind Fremde, welche einige Tage bei uns wohnen.“
    „Fremde? Um so schlimmer! Von einem Fremden kann ich mir die Schläge noch viel weniger gefallen lassen als von einem Hiesigen. Wer sind sie denn?“
    „Der eine ist ein Emir und Effendi aus dem Abendland und der andere ist ein Hadschi mit einem so langen Namen, daß man ihn unmöglich im Gedächtnis behalten kann.“
    „Mag er noch tausendmal länger sein, als er ist, die Schufte müssen bestraft werden. Jeder gewöhnliche Mann weiß, daß Schläge nur mit Blut abzuwaschen sind; ich aber bin kein gewöhnlicher Mensch, sondern ein Liebling Allahs, ein Nachkomme des Propheten und Forscher auf dem Weg, der zum Himmel führt. Rufe sie also heraus, damit ich Rechenschaft von ihnen fordere!“
    „Ich kann sie wohl rufen, ob sie aber kommen werden, das weiß ich nicht.“
    Sie näherte sich der Scheidewand, brauchte aber ihre Absicht nicht auszuführen, denn Halef, der Furchtlose, kam ihr zuvor.

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