29 - Im Lande des Mahdi III
Pferde holte und bei uns unterbrachte. Hierauf erhandelten wir uns für zwei Piaster ein Huhn, mit welchem Halef, nachdem er es geschlachtet hatte, zum Herd ging, um es dort am Spieß zu braten, denn aus den Händen des Wirtes etwas zu essen, das war uns die reine Unmöglichkeit.
Ich breitete inzwischen hinter der Flechtwand meine Decke aus, um es mir darauf bequem zu machen. Durch die Lücken dieser Wand konnte ich die Leute beobachten, welche in die Stube kamen, um die Gäste zu sehen, die so vornehm waren, daß sie ihre Pferde nicht im Schmutz stehen lassen wollten. Sie wandten sich an den Hadschi mit neugierigen Fragen, welche dieser in seiner drollig stolzen und vielfach übertreibenden Weise beantwortete. Als dabei mein Name genannt wurde, richtete sich der angeblich betrunkene Gast plötzlich auf und erkundigte sich:
„Ist das der Emir Kara Ben Nemsi Effendi, welcher damals den Stamm der Haddedihn von allen seinen Feinden befreite?“
„Ja“, antwortete Halef; „er ist dieser berühmte Krieger, den noch nie ein Feind zu besiegen vermochte und der sogar den Löwen ganz allein und nur des Nachts aufsucht, um ihn mitten in das Auge zu treffen.“
„Also derselbe, welcher dafür von Mohammed Emin, dem Scheik der Haddedihn, den unübertrefflichen Rapphengst Rih geschenkt bekam?“
„Ja.“
„Ist es dieser Hengst, den du dort hinter die Wand gebracht hast?“
„Er ist's. Warum fragst du nach ihm?“
„Weil ich so viel von diesem Pferd und seinem jetzigen Herrn gehört habe, aus keinem anderen Grund.“
Nach diesen Worten legte er sich wieder vorn nieder und verblieb längere Zeit in dieser Stellung, bis er dann einmal aufstand und langsam und unsicher wie ein Betrunkener zur Tür hinauswankte. Kaum zehn Minuten später kam eine Frau, welche, wie ich gleich merkte, die Wirtin war, eiligst herein und fragte ihren Mann:
„Soeben ist der Fremde fortgeritten. Hat er dich gefragt?“
„Gefragt? Wonach?“ antwortete der Wirt. „Fortgeritten? Er hat doch kein Pferd! Und fort soll er sein? Sein Gewehr lehnt ja noch hier!“
„Er saß auf einem unserer Pferde.“
„So wird ihm etwas Notwendiges eingefallen sein, was er zu verrichten hat. Er wird sich nicht weit entfernt haben und bald wiederkommen, denn er will ja einige Wochen hier bei uns in Khoi wohnen.“
Damit war für ihn die Sache abgemacht; mir aber kam sie, obgleich sie mich nichts anging, doch befremdlich vor. Als der Fremde seine Fragen an Halef richtete, hatte er so klar, fest und bestimmt wie kein Betrunkener gesprochen, und als er sich dann entfernte, war es mir vorgekommen, als ob sein schwankender Gang kein natürlicher, sondern ein nachgeahmter sei. Aber ich hatte ja gar nichts mit dieser Angelegenheit zu tun, und so konnte es mir vollständig gleichgültig sein, ob ein Gast, der sich vom Wirt für kurze Zeit ein Pferd auslieh, diesen vorher besonders darum fragte oder nicht. Übrigens kam bald darauf Halef mit dem gebratenen Huhn zu mir, und während wir aßen und dann die Pferde fütterten und tränkten, geriet das Intermezzo vollends in Vergessenheit.
Gegen Abend machten wir einen Spaziergang vor den Ort hinaus, weil dieser nichts Sehenswertes an sich bot; als wir bei einbrechender Dunkelheit zurückkehrten, saß der Wirt mit einigen Nachbarn schon wieder beim Raki und war betrunkener als vorher; er schien anzunehmen, daß Mohammed nur den Wein und nicht auch den noch viel schlimmeren Schnaps verboten habe, und die anderen waren ihm ganz gleichgesinnt. Ich habe unzählige Male, nicht an mir selbst, sondern an anderen erfahren, was für ein böser Dämon der Branntwein ist; es können Jahre vergehen, ehe ich mir die Lippen einmal mit einigen Tropfen Cognac oder Rum netze und dies auch nur dann, wenn ich dieses Zeug aus Gesundheitsgründen als Arznei nehme; hier aber saßen Gewohnheitstrinker beisammen, welche stumm und stupid darauf lostranken, bis der Krug leer war, dann gingen die anderen heim und der Wirt torkelte, denn anders konnte man es nicht mehr nennen, zur Tür hinaus, wohin, das sollte ich bald darauf erfahren, denn nur einige Minuten später hörten wir ihn draußen im Hof schreien, als ob er am Spieß stäke. Wir eilten hinaus, um zu erfahren, was mit ihm geschehen sei. Da stand er mit gerungenen Händen und schrie wütend auf seine Frau und andere Personen ein, welche durch seinen Lärm herbeigerufen worden waren. Der noch vor wenigen Augenblicken so schwere Rausch war plötzlich und vollständig von ihm gewichen,
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