29 - Im Lande des Mahdi III
Es braucht kein Mensch zu wissen, wo ich mein Versteck habe. Ich hole es allein.“
Er rannte fort, ohne sich zu sagen, daß nun, da das Geld gestohlen worden war, der Ort, an welchem es gelegen hatte, nicht mehr verheimlicht zu werden brauchte. Als er wiederkam, gingen wir in die Stube, weil es da heller als im dunklen Hof war. Kaum katte er einen Blick auf das Messer geworfen, so rief er aus:
„Effendi, du hast recht gehabt, sehr recht, denn dieses Messer gehört ihm; ich weiß das ganz genau; ich habe es, als er damit aß, wiederholt genau betrachtet und es mir sogar von ihm zeigen lassen, weil der Griff von uralter persischer Arbeit ist. Sere men – bei meinem Haupt, er ist der Dieb! O Allah, o Propheten! Ich bin zugrunde gerichtet! Wäre jemand von meinen Leuten der Dieb, so müßte er mir das Geld wiedergeben; nun aber dieser Halunke es gestohlen hat, werde ich es niemals wiederbekommen, und es ist doch nicht mein. Ich habe es abzuliefern; ich muß es ersetzen und werde dadurch ein armer Mann! Was soll ich tun? Was rätst du mir?“
„Hm! Man hat doch gesehen, nach welcher Richtung er geritten ist. Wenn es Tag wäre, könnte man seine Spuren sehen und ihn verfolgen; ich würde ihn auf meinem Pferd einholen, obgleich er bis jetzt einen ganz bedeutenden Vorsprung gewonnen hat.“
„Tue das, Effendi, tue das!“
„Ich würde es wohl tun, wenn es nicht wegen der jetzigen Dunkelheit unmöglich wäre. Wir müssen also warten, bis es am Morgen wieder hell wird; bis dahin haben wir auch Zeit, die Sache weiter zu besprechen und zu überlegen.“
„Überlegen? Welch ein Gedanke von dir! Bis dahin ist der Kerl ja noch viel weiter entflohen als jetzt! Nein, nein! Ich habe keine Zeit; ich lasse ihm keine Zeit! Ich muß mein Geld wiederhaben, mein Geld, mein Geld! Ich weiß, was ich zu machen habe; es ist das allerbeste, was ich tun kann: ich eile sofort zum Nezanum (Ortsvorsteher) und mache Anzeige. Der ist ein kluger und erfahrener Mann, viel pfiffiger, klüger und erfahrener als wir beide, nämlich du und ich, zusammen, und wird sofort wissen, wie ich sicher wieder zu meinem Eigentum komme. Paß auf, ich werde es in der kürzesten Zeit wiederhaben!“
Er rannte fort. Halef ließ ein lustiges Lachen hören und sagte zu mir: „Sihdi, da hast du gehört, wie dieser Wirt über sich und auch über deine Geistesgaben denkt. Solltest du jemals auf den Gedanken kommen, dich als Nezanum von Khoi zu melden, so weißt du, was für einen dummen Kerl der jetzige Nachfolger bekäme. Danke Allah für diese Aufrichtigkeit und wandle mit fügsamer Bescheidenheit deinem zukünftigen Amt entgegen!“
Ich bemitleidete natürlich den Wirt und hätte gern etwas für ihn getan, obgleich sein Vertrauen zu mir kein allzu übermäßiges genannt werden konnte; unter den gegebenen Verhältnissen aber konnten wir nichts tun, als uns in unsere Abteilung zurückzuziehen und seine Rückkehr abzuwarten. Es verging fast eine Stunde, da hörten wir draußen Pferde schnauben. Halef ging hinaus und berichtete mir dann:
„Sihdi, man denkt gar nicht daran, die Vorzüge unseres Geistes mit zu Hilfe zu nehmen. Soeben ist der ‚pfiffige‘ Nezanum mit dem Wirt und einigen anderen Männern fortgeritten und zwar nach Westen zu, weil man den Dieb nach dieser Richtung hat reiten sehen. Ich wünsche ihnen eine glückliche Reise. Du hast mir wiederholt gesagt, daß die Erde die Gestalt einer Kugel habe. Wenn du gern erfahren willst, ob der Kerl von ihnen erwischt wird, so bin ich gern bereit, mit dir hierzubleiben und zu warten, bis sie aus Osten wiederkommen.“
In diesen ironischen Worten war das ganze Urteil des kleinen Hadschi Halef enthalten, welcher, was Mutterwitz und Scharfsinn betraf, es jedenfalls mit sämtlichen Untertanen des Nezanum aufnehmen konnte. Da wir glaubten, heute nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, machten wir unsere Lagerstätten bereit und gaben unseren Pferden das Zeichen, sich auch niederzulegen, was sie in langgewohntem Gehorsam auch gleich taten. Aber wir sollten doch noch nicht zur Ruhe kommen, denn wir hatten die Augen noch nicht geschlossen, so stellte sich ein neuer Gast ein, welcher draußen im Hof nach dem Wirt rief und, weil er nicht sofort eine Antwort erhielt, herein in die Stube kam. Er trat mit lauten Vorwürfen, daß man seiner nicht achte, wie es seinem Rang zukomme, ein, unterbrach aber den Fluß seiner Strafrede, als er beim Schein des noch brennenden Feuers niemand in der vorderen Abteilung
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