29 - Im Lande des Mahdi III
sind.“
„Welche?“
„Alle. Ich denke dabei jetzt nur an eure Kämpfe mit den Bebbeh-Kurden.“
„Diese Kerls sind die größten Schurken, die es gibt!“
Ich bediente mich mit Absicht dieses kräftigen Ausdrucks, indem ich ihn dabei scharf aber verstohlen beobachtete. Ich sah die Röte des Zorns in seine Wangen steigen, doch beherrschte er sich und fragte scheinbar ruhig: „Hast du auch ihren Scheik gekannt?“
„Meinst du Gasahl Gaboya?“
„Ja.“
„Ich habe ihn nur zu gut kennengelernt; er war der allergrößte unter diesen Schuften.“
Da sah ich, daß er alle seine Macht über sich zusammennehmen mußte, um seinen Zorn zu bemeistern; dennoch klang seine Stimme rauh und fast heiser, als er weiter fragte:
„Warst du es nicht, der ihn niedergeschossen hat?“
„Ich nicht; aber er wagte es, sich im Kampf an mich zu machen, und wurde von einem meiner Gefährten niedergeschossen.“
Daß Hadschi Halef dieser Gefährte war, verschwieg ich, denn ich hatte nun erfahren, was ich wissen wollte. Dieser Ssali Ben Aqil war allerdings ein mohammedanischer Theologe; in dieser Beziehung hatte er uns nicht belogen; aber ebenso gewiß war er der Abstammung nach ein Bebbeh-Kurde, höchstwahrscheinlich sogar ein Verwandter des gefallenen Gasahl Gaboya. Ich hatte mich also vor ihm sehr in acht zu nehmen, denn nirgends wird die Blutrache so streng gehandhabt wie grad bei einigen Kurdenstämmen. Als ob er meine Gedanken erraten hätte, machte Ssali auf meine Antwort die Bemerkung: „Der Scheik der Bebbeh ist also doch im Kampf mit dir gefallen, ob von deiner Kugel oder nicht, das ist gleichgültig; du bist der Blutrache verfallen, und ich wundere mich außerordentlich darüber, daß du dich wieder in diese Gegend wagst.“
„Oh, ich war seitdem schon öfters hier!“
„Wirklich? Da ich dich unmöglich für einen leichtsinnigen Menschen halten kann, mußt du einen Mut besitzen, der ganz unvergleichlich ist. Bitte Allah, daß er dich nicht in die schrecklichen Hände der Thar (Blutrache) fallen lasse! Wenn dich ein Verwandter von Gasahl Gaboya sähe, wärst du verloren.“
„Ja, einer von beiden würde verloren sein, entweder er oder ich.“
„Du, du, nicht er, Emir! Du verkennst die Sache, weil du ein Fremder bist, nicht nur ein Fremder, sondern sogar ein Christ. Von euch Christen weiß man es ja, daß ihr euch in jeder Beziehung überhebt und für besser haltet als Andersgläubige, daß ihr denkt, an euch sei alles schöner, frömmer, heiliger und unverletzlicher als an anderen Menschen. Du wirst das nicht zugeben wollen, obgleich du es durch dein Verhalten beweist. Ein Moslem kennt die Schrecklichkeit der Blutrache ganz genau; wenn er das getan hätte, was du hier verübt hast, so würde er es niemals wagen, hier in dieser Gegend wieder zu erscheinen. Du als Christ kennst den Koran nicht und auch nicht die Gesetze und Regeln, nach denen die hiesigen Völkerschaften leben. Du glaubst, deine Haut sei als diejenige eines Christen ebenso unverletzlich, wie die Haut eines Drachen, durch den keine Waffe dringt; ja du meinst sogar im Stolz deines Christentums, daß kein Kurde es wagen darf, sich an dir zu vergreifen und dir ein Leid zu tun, denn ihr pocht auf eure Kanasil (Arabischer Plural von Konsul), die euch behüten, schützen, tragen und leiten müssen, wie eine Mutter ihr kränkstes, schwächstes Kind bewacht. Aber dein Stolz wird dir bald vor die Füße fallen, wenn du, vor der Blutrache stehend, zu der entsetzlichen Erkenntnis kommst, daß du ihr rettungslos verfallen bist. Nicht einen von beiden wird es treffen, wie du soeben sagtest, sondern dich, nur dich allein. Du kannst dir nicht helfen, und dein Gott kann dir nicht helfen; die Erde unter deinen Füßen wird wanken; der Boden, darauf du stehst, wird weichen, und du wirst hinunterfallen in den ewigen Jammer der Dschehennah, in welcher alle Christen und anderen Ungläubigen zu endloser Qual und nie aufhörenden Martern versammelt werden. Wir aber, wir Gläubigen, werden über euch thronen als Richter über Himmel und Hölle, über Leben und Tod, unberührt von eurem Heulen und Wehklagen darüber, daß ihr so eingebildet und unverständig gewesen seid, die göttliche Gesandtschaft Mohammeds und die bis zum Himmel emporgewachsenen Vorzüge des Islam vor eurem lügenhaften Christentum zu leugnen!“
Er hatte erst in gewöhnlichem Ton und dann in immer wachsender Begeisterung gesprochen; seine Augen leuchteten, und der Fanatismus glänzte, ja,
Weitere Kostenlose Bücher