29 - Im Lande des Mahdi III
während aller Nächte zu mir spricht, sagt es mir. Doch, du als Christ kannst das ja nicht verstehen. Laß uns lieber von den Städten sprechen, in denen ich längere Zeit geblieben bin, um den Koran, die Auslegungen desselben und alle Regeln der Anbetung zu studieren!“
„Welche sind dies?“
„Erst ging ich nach Persien als dem Land, dessen Schulen meiner Heimat am nächsten lagen. Ich studierte in Teheran und Isfahan, bin aber der Hunde von Schiiten wegen, welche Allah verfluchen möge, schon nach einem Jahr wieder fortgegangen. Ich wanderte nach Stambul, wo ich sehr fromme und sehr kluge Lehrer fand, aber doch nicht, was ich suchte. Hierauf schloß ich mich der großen Hadsch nach den heiligen Städten Mekka und Medina an. In Mekka erwarb ich mir dieses Hamaïl, welches ich am Hals hängend trage, wie es jeder Hadschi, der es besitzt, zu tragen hat, und in Medina blieb ich längere Zeit als Schüler eines berühmten Muderris (Professor), der die hervorragenden Auslegungen fast auswendig kannte.“
Da war Halef so unvorsichtig zu bemerken:
„Grad so ein Hamaïl wie du hat auch mein – – –“
Er wollte sagen, daß ich auch ein Hamaïl besaß. Das konnte ich nur in Mekka erworben haben, welches kein Christ besuchen darf. Darum fiel ich ihm schnell in die Rede, indem ich Ssali fragte:
„Würdest du mir erlauben, dein Hamaïl einmal zu betrachten?“
Er löste das Band und gab mir das Buch mit den Worten hin:
„Eigentlich darf dieser heilige Koran von der Hand keines Ungläubigen berührt werden; wenn ich ihn dir dennoch gebe, magst du daraus ersehen, wie hoch du in der Achtung meines Herzens stehst.“
Der Koran ist mir grad so genau bekannt, wie unsere Bibel. Wenn ich um dieses Exemplar bat, so tat ich dies also nicht des Inhalts wegen, sondern aus einem anderen Grund. Ich wollte nämlich wissen, ob Ssali wirklich ein Scherif war. Als ich die betreffende Bemerkung nicht eingetragen und untersiegelt fand, fragte ich:
„Weißt du, daß die Tabellen, in denen der Name jedes Scherifs verzeichnet steht, alljährlich mit der großen Hadsch nach Mekka gesendet werden?“
„Ja.“
„Und daß der Name jedes Scherifs, der dort ein Hamaïl erwirbt, in dasselbe eingetragen werden muß?“
„Natürlich weiß ich das; ich bin ja ein Scherif!“
„Und warum steht dann dein Name nicht hier in diesem Koran?“
Jetzt merkte er erst, wo ich hinausgewollt hatte, und antwortete verlegen und schnell darüber hinweggehend:
„Weil ich vergessen habe, ihn einschreiben und mit dem Siegel des Großscherifs versehen zu lassen. Als ich von dem Muderris in Medina nichts mehr lernen konnte, zog ich nach Kahira. Die Universität der Azharmoschee dort ist die berühmteste in allen Landen; es gab dort über achttausend Talaba (Schüler, Studenten), unter denen ich mehrere fand, die nach der Wahrheit strebten und mich zu einem Muderris führten, welcher der einzige war, der von dem bald zu erwartenden Mahdi lehrte. Ich wurde sein Schüler, und ihm habe ich es zu verdanken, daß ich jetzt der Welt die Kunde von dem kommenden ‚Rechtgeleiteten‘ bringen kann.“
Er sprach jetzt in einem so stolzen und überlegenen Ton, daß ich es mir nicht versagen konnte, diesen Ton ein wenig herabzustimmen; darum warf ich die Erkundigung ein:
„Ich erkenne, was für ein hochbedeutender Mann du bist. Darf ich erfahren, welche Gegend oder welcher Ort den großen Vorzug besitzt, deine Geburt gesehen zu haben und deine Heimat zu sein?“
Diese Frage schien ihm ungelegen zu kommen, und es bedurfte einer, wenn auch nur kurzen Überlegung, ehe er antwortete:
„Ich bin in el Damijeh in Ägypten geboren.“
„Sonderbar! Ich habe dich für einen Kurden gehalten.“
„Warum?“
„Zunächst wegen einiger Kehllaute in deiner Aussprache, die nur aus einer kurdischen Kehle zu hören sind, und sodann hast du vorhin selbst gesagt, daß Kurdistan deine Heimat sei.“
„Ich? Wann?“ fragte er mehr besorgt und betroffen als erstaunt.
„Du teiltest uns mit, daß Persien das Land sei, welches deiner Heimat am nächsten liege; am nächsten zu Persien aber liegt Kurdistan.“
„Oh, Emir, solche Bemerkungen darf man nicht so genau nehmen, als ob sie im Koran ständen. Ich stamme wirklich aus el Damijeh. Ja, durch Kurdistan bin ich auch schon einige Male geritten; aber ich bin in diesem Land nicht halb so bekannt wie du.“
„Nimmst du dies wirklich an? Warum?“
„Weil mir deine Erlebnisse erzählt worden
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