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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie geschickt worden waren; sie sahen den köstlichen Braten, wenn auch in noch ungeröstetem Zustand, vor sich, und durch ihre Seelen ging ein tiefes Rühren, dem sich alles andere unterordnen mußte.
    Jeder halbwegs gebildete Europäer kennt den gewaltigen Unterschied zwischen dem köstlichen Geschmack eines zarten Spanferkels und dem schon mehr profanen Genuß, den ein alltäglicher Schweinebraten bietet. Ebenso weiß jeder leidlich erfahrene Sudanese zwischen dem Braten eines Nilpferd-Küchleins und demjenigen eines alten Hippopotamus zu unterscheiden. Hier kam das zarte Küchlein den Schwarzen so gar bequem entgegengetrollt, daß sie der Versuchung unmöglich widerstehen konnten. Sie sprangen auf, fielen mit den Rudern über das ahnungslose Tierchen her und schlugen es nieder. Es kreischte zwei- oder dreimal auf und erlag dann den schnellen, kräftigen Hieben, welche auf die empfindliche Nase gerichtet waren. Ich sah kommen, was nun kommen mußte, nämlich das alte Tier.
    Dieses hörte kaum die Schmerzenslaute seines Jungen, so ließ es ein grimmiges Schnauben hören, welches mit sonst nichts zu vergleichen ist, und stürzte sich vorwärts. Mit einer Schnelligkeit, welche man dieser unförmigen Fleischmasse gar nicht zutrauen sollte, schoß es durch die Falle. Dabei berührte es die Auslösung; die Harpune fiel – aber hinter dem Tier, weil die Bewegung desselben zu schnell gewesen war. Das Nilpferd blieb unverletzt und jagte weiter, bis dahin, wo das Junge lag. Dort hielt es an und wendete es mit der Schnauze einige Male von einer Seite auf die andere.
    Hatten die vier Neger sich für sicher vor der Alten gehalten? Hatten sie gemeint, daß diese nicht weiter als bis unter die Falle kommen könne? Wenn das der Fall war, so sahen sie sich schrecklich enttäuscht. Sie standen erst starr vor Entsetzen; aber dadurch, daß die Alte bei dem Jungen anhielt, gewannen sie Zeit zur Flucht. Sie warfen die Ruder weg und rannten zurück, an mir vorüber, in den Wald hinein, dem Lager zu. In demselben Augenblick hörte ich meines Gefährten laute, befehlende Stimme:
    „Halt, bleib stehen, sonst bist du eine Leiche!“
    Dieser Drohung war zu entnehmen, daß die andern Neger oder wenigstens wieder einige von ihnen, kamen. Die vier Ausreißer brüllten ihnen mehrere Worte, die ich nicht verstand, entgegen, jedenfalls eine Warnung. Zehn und noch mehr Stimmen brüllten; die Tierwelt erwachte aus dem Schlaf; Affen kreischten, Vögel erhoben ihre so verschiedenen Stimmen; der Schuß meines Gefährten krachte; im Lager heulten die Schwarzen; der ganze Wald war lebendig geworden. Meine drei andern Doppelposten ließen ihre Rufe ertönen; ich hörte ihre Schüsse fallen. Und das alte Nilpferd? Und ich?
    Nun, wir waren hart hintereinander her, aber nicht etwa es hinter mir, sondern ich hinter ihm. Ich hatte mich tief in die Lianen gedrückt, um die vier Neger an mir vorüber zu lassen, und den Blick nicht von dem Tier gewendet. Als es sich überzeugt hatte, daß das Junge tot war, stürzte es wieder vorwärts, sah die Neger unter den Palmen verschwinden und schoß ihnen nach. Die Schnelligkeit, mit welcher dies geschah, war ganz unglaublich. Dabei ließ es einen Ton oder vielmehr Töne hören, welche gar nicht zu beschreiben sind. Das war kein Schnaufen mehr, kein Schnauben, kein Grunzen, kein Brüllen, und doch war es das alles und noch viel mehr als das.
    Als es mir nahte, blieb ich stehen, nicht vor Schreck, sondern aus Berechnung. Meine beiden Läufe waren geladen; ich hätte schießen können, war aber vorsichtig genug, dies nicht zu tun. Das Riesentier mußte so getroffen werden, daß es sofort fiel; hier unter den Bäumen aber hatte ich kein sicheres Zielen, und ein Nilpferd besitzt keineswegs viele Stellen, an denen es tödlich verwundbar ist. Von vorn durfte ich es auf keinen Fall nehmen.
    Als es an mir vorüberschoß, streifte es mich, ganz leicht nur, im Verhältnis zu seiner Stärke und seiner Masse; aber ich flog doch, wie von zehn Pferdekräften geworfen, seitwärts in das Dickicht, raffte mich jedoch sofort wieder auf und rannte hinterdrein. Was nun folgte, läßt sich wirklich leichter erleben als beschreiben.
    Man denke sich einen von einem Nilpferd ausgetretenen Pfad, der keineswegs einem parkettierten Fußboden gleicht, sondern buchstäblich aus tiefen, runden Löchern, in denen das Wasser steht, zusammengesetzt ist. Rechts und links Dickicht. Oben die Palmenwipfel, welche den Pfad verdunkeln, und bricht je ein

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