29 - Im Lande des Mahdi III
die Schwarzen mit unglaublicher Schnelligkeit im Innern ihrer Hütten.
Am liebsten wäre ich gleich mit allen vorgerückt; aber ich sagte mir, daß dies nicht geraten sei. Ich sah Gewehrläufe, die auf uns gerichtet waren, aus den Eingängen ragen. Gingen wir jetzt weiter, so konnten wir niedergeschossen werden, ohne die Sicherheit zu haben, auch nur einen einzigen Schwarzen zu treffen. Darum ging Agadi allein nach derjenigen Hütte, welche die größte war und in welcher wir den Anführer vermuteten. Er schwenkte einen Palmenzweig in der Hand, überall, wo es Palmen gibt, ein Zeichen, welches eine friedliche Absicht bedeutet.
Bei dem Feuer angekommen, blieb er stehen. Er sprach gegen den Tokul; wir hörten eine antwortende Stimme. Die Worte gingen eine Zeitlang herüber und hinüber; dann kamen zwei Schwarze aus der Hütte. Sie waren nicht bewaffnet, traten zu Agadi und redeten mit ihm. Ihre Mienen, ihre Bewegungen dabei ließen auf keine feindselige Absichten schließen. Endlich deuteten sie nach der Hütte, in welcher auch ein Feuer brannte, denn wir sahen den Rauch aus der oberen Öffnung steigen. Sie luden ihn ein, mit ihnen hineinzugehen. Ich wollte ihm zurufen, dies nicht zu tun, unterließ es aber, um sie nicht mißtrauisch zu machen. Er folgte ihrer Aufforderung.
Nun vergingen zehn Minuten, eine Viertelstunde, ohne daß er wieder kam. Aus der Viertel- wurde eine halbe Stunde, und noch immer ließ sich niemand sehen. Die Neger steckten in ihren Tokuls und kamen nicht heraus. Die Feuer, welche nicht genährt wurden, brannten immer niedriger. Das mußte Bedenken erregen. Warum kam Agadi nicht wenigstens auf einen Augenblick heraus, um uns zur Geduld zu mahnen? Wenn wir warteten, bis die Feuer verlöschten, gaben wir den einzigen Trumpf, den wir jetzt hatten, aus der Hand. Ich rief den Namen Agadi einige Male, doch vergeblich. Ich rief ihm zu, daß er antworten möge. Da klang seine Stimme aus der Hütte: „Effendi, ich bin gefangen, weil man dich für Ibn Asl hält; sie glaubten es mir nicht.“
„Ist der Anführer im Tokul bei dir?“
„Ja.“
„Er mag mit dir herauskommen. Ich will mit ihm reden!“
Er antwortete nicht. Es vergingen einige Minuten; dann sah ich ihn aus der Tür treten. Die Hände waren ihm auf den Rücken gebunden, und außerdem hing er an einem Strick, welcher in das Innere der Hütte reichte. Man konnte ihn an demselben augenblicklich hineinziehen.
„Nun?“ fragte ich. „Wo ist der Häuptling?“
„Im Tokul. Er kommt nicht heraus. Ich soll dich auffordern, dich augenblicklich zu entfernen.“
„Und wenn ich es nicht tue?“
„So wird man uns erschießen. Und wenn du nicht gehst, zieht man mich an dem Strick zurück und ermordet mich.“
„Und wenn wir gehen, was wird dann?“
„Es soll darüber beraten werden.“
„Wann sollen wir das Resultat der Beratung erfahren?“
„Morgen.“
„Warum erst dann? Du weißt, wie kostbar unsere Zeit ist. Wie und wo sollen wir es erfahren? Hast du etwa gesagt, wo sich unser Boot befindet?“
„Nein. Ich sagte, daß ich die Stelle zwar wisse, aber sie doch nicht beschreiben könne. Vielleicht überzeuge ich sie noch, daß du nicht Ibn Asl bist. Gehe zurück und warte still bis morgen. Versuche jetzt nicht, mich zu befreien. Es würde mein augenblicklicher Tod sein.“
„Ich werde überlegen, was zu tun ist, und mich jetzt zurückziehen. Aber sage dem Häuptling folgendes: Ich werde schon beim Anbruch des Tages wiederkommen und mir Antwort holen. Erzähle ihm, was du von mir weißt, und teile ihm mit, daß, wenn dir nur ein einziges Haar gekrümmt wird, er es unbedingt mit seinem Leben bezahlen muß.“
Ich drehte mich um und entfernte mich mit meinen Asakern, doch nicht weit. Sobald uns der Schein der Feuer nicht mehr traf, blieben wir stehen. Als ich jetzt zurückblickte, sah ich Agadi im Eingang des Tokuls verschwinden.
„Er ist verloren“, sagte einer der Soldaten. „Sie halten ihn für einen Verräter, für den Verbündeten von Ibn Asl. Da sie denken, daß du der Sklavenhändler bist, so werden sie bemüht sein, uns zu entkommen. Sie werden sich also heimlich davonschleichen und Agadi vorher umbringen.“
„Daß sie die Absicht haben werden, sich davonzumachen, das glaube ich auch. Aber wir werden sie hindern. Wir umzingeln das Lager.“
„Das hilft uns nichts. Wir könnten zwar einige erschießen, aber doch nicht alle.“
„Wenn sie fort wollen, müssen sie uns alle vor die Flinten kommen. Denke nur nach!
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