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291 - Die heilige Stadt

291 - Die heilige Stadt

Titel: 291 - Die heilige Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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mehr widerstehen…
    Das seltsame Gebilde verschwamm, wurde vom Bild eines Krankenzimmers im Dämmerlicht überlagert, ohne jedoch ganz zu verschwinden. Es sandte weiterhin seine lockenden Impulse aus.
    Xij bemerkte, dass man sie festhielt. Ihr Oberkörper bäumte sich auf. Sie trat und schlug um sich, traf auf Widerstand und riss sich los. In ihrem weißen, hinten offenen Krankenhemd schob sie sich über den Bettrand, stürzte zu Boden, kämpfte sich wieder hoch, schlug erneut eine Hand beiseite und lief los.
    Komm zu uns, Xij, komm…
    Es gelang ihr, das Krankenzimmer zu verlassen und mit staksigen Schritten auf den hell erleuchteten Gang zu gelangen. Doch dann kamen zwei stämmige Pfleger heran, packten sie an den Oberarmen und redeten auf sie ein.
    Xij brüllte erneut los und trat und biss mit einer Kraft, die die Pfleger unterschätzt hatten. Einer trug zwei blutende Wunden am Unterarm davon.
    »Lasst mich! Ich muss zu mir!«, schrie sie einige Male auf tibetisch. Erst als der Mediker kam und ihr eine neue Beruhigungsspritze setzte, sank sie haltlos in sich zusammen.
    ***
    1260 bis 1268 n. Chr.
    Manil'bud freute sich, im Körper der schönen Francesca Totti eine adäquate Bleibe gefunden zu haben. Zuvor hatte sie sich in zwei Männerkörpern durch die Menschenwelt bewegt, darunter dem von Francescas Vater, einem hohen Angestellten des Dogenpalastes. Manil'bud hatte den Übergang in Francescas Körper etwas beschleunigt, indem sich der alte Totti urplötzlich an seine Tochter geklammert und sich dabei den Dolch ins Herz gerammt hatte. Der Tod war auf der Stelle eingetreten, Manil'buds Geist auf Francesca übergegangen, denn für den Wechsel war nach wie vor zwingend ein Körperkontakt notwendig.
    Während Manil'bud sich nach dem Wechsel üblicherweise erst einmal ruhig verhielt und den neuen Körper dann blitzartig zu übernehmen pflegte, wenn der fremde Geist darin schlief, war das bei Francesca nicht notwendig gewesen. Der Geist des Mädchens war so schockiert, dass er Manil'buds sofortigem Überfall keine Gegenwehr hatte entgegensetzen können. Wie üblich hatte sich die Hydree alles Wissen und alle Erinnerungen aus dem fremden Geist angeeignet und ihn anschließend ausgelöscht.
    Manil'bud war bester Laune. Der Körper einer jungen hübschen Frau fühlte sich weit besser als der eines Mannes an. In ihm konnte sie deutlich mehr Lust empfinden und war auch nicht gezwungen, sich ständig in irgendwelchen Kämpfen und Auseinandersetzungen beweisen zu müssen.
    In der Übernahme menschlicher Körper besaß Manil'bud längst wieder Übung. Nach dem Untergang Atlassas hatte sie sich ihren Rassegenossen angeschlossen und in verschiedenen Körpern die Umwälzungen im Reich der Hydriten nach Ei'dons Auftauchen miterlebt. Schließlich war sie in der Unterwasserstadt Gilam'esh'gad gelandet, die nach ihrem früheren Geliebten - wie viele Millionen Jahre war das jetzt her? - benannt worden war. Und nicht nur das: Gilam'eshs Lehren hatten auch unter den Hydriten der Erde zahlreiche Anhänger gefunden, was Manil'bud sehr freute.
    Etwa zu dieser Zeit erfuhr sie, dass das Menschengeschlecht durch die große Flut nicht ganz ausgerottet worden war und sich längst wieder erholt hatte. Überall waren Kulturen auf dem Weg zu neuer Blüte. Manil'bud hätte sie nur zu gerne besucht, aber der Rat Gilam'esh'gads stufte den Kontakt mit den Menschen als zu gefährlich ein.
    Als die Menschen jedoch zunehmend Hydriten, die sie »Fishmanta'kan« nannten, jagten und töteten, dachte der Rat um und schickte Missionare zu den Menschen, um sie durch Gilam'eshs Lehren friedlicher zu machen.
    Dass diese Lehren kaum auf fruchtbaren Boden fielen, war Manil'bud ziemlich egal. Es galt, das Leben zu genießen…
    Heute war der Tag des San Stefano, an dem der Carnevale Veneziano begann. Auf ihn freute sich Manil'bud besonders, denn im Schutz der wunderschönen Masken und Gewänder konnte sie sich unerkannt austoben. Ihr Vater war erst sechs Wochen tot und sie hätte eigentlich noch trauern müssen. Aber hinter der goldenen Maske, die ein nachdenklich-geheimnisvolles Frauengesicht mit vollen, sinnlichen Lippen zeigte, würde sie niemand erkennen.
    Francesca schlüpfte in das lange rosafarbene Kleid, legte den breiten Kragen an und setzte den prächtigen Kopfschmuck, der an die Federn eines Pfaus erinnerte, auf. Dann ging sie hinunter auf die Straße, wo in den Hinterhöfen der Palazzi bereits gefeiert wurde. Sie kam an den Nobiluomini vorbei, den

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