292 - Chimären
mehrere Tote gibt, bist du als Großer Rat unhaltbar geworden. Noch tun die Medien deine Yeetijagd als harmlosen Spleen ab, aber ich prophezeie dir: Ein Toter deswegen und du bist erledigt.«
Lhündrub schluckte. »Hör zu, Lobsang, ich bin noch immer der beste und fähigste Luftschiffer im ganzen Königreich. Und ich mache wieder gut, was ich angerichtet habe. Wenn sich andere Piloten nicht trauen, an die Gondel heranzufliegen - ich schon.« Lhündrubs Augen funkelten schon wieder. »Was stehst du hier noch rum, Lobsang? Ab jetzt zählt jede Sekunde!«
»Hast du die vermaledeiten Yeetis wenigstens diesmal erwischt?«, fragte der König, während sie die Zelle verließen.
»Sie sind mir wieder entkommen.«
»Buddha, hilf…«, stöhnte Lobsang Champa. »Wie lange soll das denn noch weitergehen?«
Kurze Zeit später lief die Rettungsaktion an.
***
Februar 2402, Meister Chans Erinnerungen
Chan nahm Khyentse meistens von hinten. Die Große Rätin liebte es und er war nicht gezwungen, sie dabei ansehen zu müssen.
So ist jedem geholfen , dachte der junge Mann zynisch. Er verstärkte seine Bemühungen, die ihm heute nicht einmal lästig waren. Denn auf diese Weise konnte er in Gedanken noch einmal die chemischen Formeln wiederholen, die er für den wichtigen Wissenstest am morgigen Tag benötigte.
Khyentse quiekte wie ein Lhaase-Schweinchen, als sie auf den höchsten Gipfeln ihrer Lust ritten. Danach sank sie zusammen, drehte sich um und zog Chan über sich, um sein Gesicht mit feuchten Küssen zu bedecken. »Chan, Chan, mein lieber Chan«, flüsterte sie und ihr ganzer Körper glühte dabei. »Nur die Göttin Khom weiß, wie sehr ich dich liebe…«
Chan, der seine braunen Haare jetzt als kurze Stoppeln stehen ließ, kannte diese gebetsmühlenhaft vorgebrachten Floskeln bereits auswendig. Er küsste Khyentse ebenfalls und lächelte selig zurück. Das konnte er in der Zwischenzeit ganz gut.
»Ich liebe dich auch, mein Herz«, flüsterte er und strich ihr ein paar ihrer widerspenstigen fettigen Haare aus dem runden Gesicht. »Weißt du, ich danke Khom mindestens viermal am Tag, dass wir beide zusammengefunden haben…«
… und das meine ich so, wie ich es sage…
»… du bist der wundervollste Mensch in ganz Agartha, nein, auf der ganzen Welt…«
… das wiederum ist schamlos gelogen…
»Chan, mein Chan…« Schon wieder näherten sich ihre feuchten wulstigen Lippen und schnappten nach den seinen.
Chan ließ auch das über sich ergehen, denn Khyentse erwies sich tatsächlich immer mehr als die wichtigste Person in seinem Leben. Der Schachzug vor gut einem Jahr, die Liebe der jungen Frau auszunutzen und ein Verhältnis mit ihr anzufangen, nachdem klar war, dass sie als nächste Große Rätin ins Regierungsgremium aufsteigen würde, war klug und richtig gewesen.
Er selbst war zwar weitaus der Beste und Intelligenteste unter Khoms heranwachsenden Kindern , der Eliteklasse, aus der die Großen Räte und der König der Welt hervorgingen, aber es stand in der Orakelkugel, ob er je Großer Rat werden würde. Lobsang Champa, sein Erzfeind, versuchte dies mit allen Mitteln zu verhindern. Und da Lobsang von adeliger Abstammung war, Chan aber ein Darunterstehender , waren dessen Chancen leider ziemlich gut. Obwohl sich König Tenpa persönlich für Chans Aufnahme in die Eliteklasse eingesetzt hatte, damit der Große Rat Khoms einst von seiner überragenden Intelligenz profitieren konnte.
Aber gegen die fein gesponnen Intrigen Lobsangs, der Chan vor allem wegen seiner Abstammung hasste, war auch der König machtlos. So hatte Lobsang es neulich geschafft, angebliche verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem in die Wiedergeburt verabschiedeten Großen Rat Ösel und Lhündrub urkundlich zu belegen.
Lhündrub gehörte ebenfalls zur Eliteklasse und war Lobsangs bester Kumpel. Die Überraschung über die Verwandtschaftsverhältnisse, von denen nie zuvor jemand gehört hatte, war allgemein groß gewesen. Aber der Siegler hatte die aufgefundene und vorgelegte Heiratsurkunde zweier längst wiedergeborener Verwandter der Parteien als echt anerkannt und damit war der Fall offiziell. Chan war sicher, dass Lobsangs Vater Loden, der Vizekönig, den Siegler bestochen hatte.
Es nützte ihm aber nichts, gegen diese Windmühlen anzukämpfen - ein schöner Vergleich, den er sich aus seinen Studien mittelalterlicher Weltliteratur behalten hatte -, dazu war er zu schwach. Er musste sich anders behelfen.
Chan hatte sich daher
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