2931 - Verbrechen ohne Ausweg
blieb hinter einem Tisch stehen, auf dem die Partie bereits bis zum Endspiel gediehen war. Da ich nicht gerade ein Großmeister des Schachs bin, war es mir unmöglich zu sagen, welcher der beiden Spieler besser stand. Trotzdem tat ich, als studiere ich die Stellung sehr sorgfältig.
Ich war nicht der einzige Zuschauer, den die Stellung zu interessieren schien. Ein Mann trat an das Brett heran. Ohne mich zur Kenntnis zu nehmen, stellte er sich vor mich und versperrte mir den Blick auf das Brett. Er zog eine Zigarettenschachtel heraus, fischte sich mit spitzen Fingern einen Glimmstängel heraus, zündete ihn an und warf die leere Schachtel achtlos weg. Dann schlenderte er weiter.
Ich habe keinen Ordnungsfimmel, aber dass der Kerl die leere Schachtel einfach wegwarf, ärgerte mich. Bis zum nächsten Papierkorb waren es nur wenige Schritte. Ich bückte mich und hob die Schachtel auf.
Jetzt sah ich, dass auf der Innenseite etwas geschrieben stand, offenbar hastig und mit Kugelschreiber auf die Lasche gekritzelt.
» OK Corral « stand da. Jedem Kind in den Staaten ist das ein Begriff. Dort, in Tombstone, Arizona, fand im Jahre 1881 vor dem OK Corral der legendäre Revolverkampf zwischen Wyatt Earp, seinen Brüdern und ihrem Freund Doc Holliday auf der einen und Ike Clanton und seinen Freunden auf der anderen Seite statt. Wer in diesem Kampf die Guten und wer die Halunken waren, darüber streiten die Gelehrten bis heute.
Ich verschwendete keinen Gedanken daran, es herauszufinden. Die hastig hingekritzelten Buchstaben OK Corral ließen es in meinem Kopf klingeln. Es gab in der Bronx eine kleine Kneipe, die so hieß. Zu den Gästen gehörten Gauner aller Rassen und Nationen. Auch ich war schon mal dort gewesen, um das eine oder andere Subjekt der Unterwelt zu treffen.
Ich blickte mich nach dem Mann um, der die Zigarettenschachtel hatte fallen lassen. Er war nicht mehr zu sehen.
Das Ärgerliche dabei war, dass ich keine Gelegenheit gehabt hatte, das Gesicht des Mannes zu sehen.
***
Falls es eine Zeit gab, in der die Bronx zu den vornehmeren Stadtvierteln von New York gehörte, muss das lange vor meiner Geburt gewesen sein. Die Versuche etlicher Politiker, dem vernachlässigten Viertel ein wenig frischen Glanz zu verleihen, waren auch nicht sehr erfolgreich gewesen. Seit ich das letzte Mal im OK Corral gewesen war, schien mir die Straße noch weiter heruntergekommen zu sein.
Ich hatte Bedenken, meinen Wagen am Straßenrand zu parken. Die Gefahr, ihn mit zerstochenen Reifen vorzufinden, wenn ich in einigen Minuten zurückkam, schien mir beträchtlich zu sein. Außerdem befand sich die Kneipe in einem Haus, das kaum noch mehr als eine Ruine war. Ab und zu fielen Dachziegel herab, wie die Löcher im Dach bewiesen.
Ich tröstete mich damit, dass ich durch die schmutzigen Scheiben der Kneipe meinen Wagen im Auge behalten konnte, und trat ein.
Ich habe schon Wohnzimmer gesehen, die größer waren als die ganze Bude hier. Und in Gefängnishöfen hatte ich Sträflinge gesehen, die vertrauenerweckender aussahen als die Kerle, die mir entgegenstarrten.
Einige von ihnen sahen aus, als würden sie für die städtische Müllabfuhr arbeiten, die meisten aber machten den Eindruck, überhaupt nie zu arbeiten. Jedenfalls nicht bei Tag und in einem ehrbaren Beruf. Ein Mann in Anzug und Krawatte musste hier auffallen wie ein tätowierter nackter Wilder aus der Südsee im Londoner House of Lords.
Ich warf einen kurzen Blick in die Runde und verspürte den dringenden Wunsch, sofort wieder zu verschwinden. Keines der Gesichter hier kam mir bekannt vor. Auch der Mann, der mich auf so ungewöhnliche Weise hierherbestellt hatte, war nicht zu sehen. Falls er doch hier war, hatte er inzwischen seine Kleidung gewechselt.
Ich widerstand der Versuchung, sofort wieder zu gehen. Der Mann würde bestimmt noch hier auftauchen. Wahrscheinlich wollte er sich erst mal vergewissern, dass ich allein gekommen war.
Also ging ich zur Bar hinüber. Der schwitzende Glatzkopf dahinter sah mich mit runden Fischaugen an.
Beim besten Willen könnte ich nicht sagen, wie viele Kneipen ich in meinem Leben schon betreten habe, die meisten davon beruflich. Was man in einer Kneipe wie dieser zu trinken pflegte, hätte ich trotzdem nicht sagen können. Sicher war nur, dass keiner der Gäste hier Milch trank oder Orangensaft. Die meisten der Kerle an den Tischen hatten Bierflaschen vor sich stehen, einige auch wesentlich stärkere Getränke.
»Ein Bier«, sagte ich
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