294 - Der Keller
einen Damm zwischen den Erinnerungen aus dem Leben als Xij Hamlet und ihren früheren Identitäten zu errichten.«
»Ich habe schon ein paarmal versucht, mit ihr darüber zu sprechen«, meinte Aruula. »Aber sie blockt immer ab.«
»Sie ist eine starke Persönlichkeit«, sagte Matt. »Sie wird damit fertig werden. Und vielleicht schafft sie es jetzt ja auch, sich uns anzuvertrauen. Nachdem sie endlich weiß, was mit ihr los war.«
»Ich weiß nicht… Sie ist noch sturer, als ich es je sein kann.«
Er lächelte. »Ich weiß.«
Aruula gab vor, ihn erneut küssen zu wollen. Aber diesmal kamen ihre Zähne zum Einsatz. Sie biss ihm in die Unterlippe. Fest. Wirklich fest. Matt zuckte zusammen. Er schmeckte Blut. »Biest!«
Er sagte es so laut, dass sich Rulfan zu ihnen umwandte. Zuvor hatte er in seinem Pilotensitz gekauert und gedöst.
Matt winkte ihm mit schiefem Lächeln zu. »Alles okay.«
Kopfschüttelnd kehrte Rulfan zu seiner Siesta zurück.
Xij hatte überhaupt nicht reagiert.
»Selbst schuld«, flüsterte Aruula ihm zu. »Ich verlange Respekt - sonst fließt noch mehr Blut!«
Jeden anderen hätte ihre zornige Miene wahrscheinlich überzeugt. Matt hingegen fand Aruulas schauspielerisches Talent unterdurchschnittlich. »Wir sollten es anders austragen«, raunte er ihr zu. »Wie zivilisierte Menschen.«
»Langweilig!«
Wo sie recht hat, hat sie recht , dachte er. Laut meinte er: »Gut, dann lass es uns vertagen. Für das, was mir vorschwebt, brauchen wir eh mehr Ruhe.«
Aruula schnalzte mit der Zunge. »Du machst mich neugierig, Maddrax. Hoffentlich kannst du auch halten, was du mir da in Aussicht stellst…«
Matt zeigte keinerlei Verunsicherung. »Habe ich dich jemals enttäuscht?«
Sie tat, als müsse sie überlegen. Dann schürzte sie verheißungsvoll ihre Lippen.
Aber bevor sie antwortete, veränderte sich plötzlich der Ausdruck auf ihrem Gesicht. Aruula schaute an Matt vorbei in die Ferne und wirkte von etwas in den Bann gezogen.
»Ist was?«, fragte Matt irritiert.
»Eine Stadt«, flüsterte sie. »Da vorne ist eine riesige Stadt…!«
***
Das Zittern durchlief Xijs Körper und Geist. Etwas drängte in ihr hoch, aus den Tiefen ihrer Seele.
Ich kenne diesen Ort , dachte sie. Ein Name wisperte durch ihr Gehirn. Ja , dachte sie. Ich erinnere mich. Hier war ich schon einmal.
Ohne dass sie sich umsah, wusste sie, dass jemand hinter sie getreten war, und wenig später erklang die rauchige Stimme Aruulas.
»Kann ich dir helfen?«
»Nein«, sagte Xij und war bemüht, die Freundin nicht erkennen zu lassen, wie es in ihr aussah. Wie es in ihr rumorte, als stünde ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch.
Sie selbst empfand es so. Und deshalb wusste sie auch, wie aussichtslos es war, die Bildgewalten, die sie zu überfluten trachteten, im Zaum halten zu wollen.
Ein ächzender Laut löste sich aus ihrer Kehle. Ihre Hände krallten sich so fest um die Innenreling, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Nach kurzer Stille erklang erneut Aruulas Stimme. »Was ist mit dir? Du zitterst wie Winterlaub. Dir geht es nicht gut. Lass dir helfen.« Ein Atemzug, dann sprach Aruula im gleichen besorgten Tonfall weiter: »Kennst du die Stadt, auf die wir zufliegen? Ist sie es, die dir Angst macht?«
Xij wirbelte herum und starrte die Kriegerin an. Ihr Gesicht war verzerrt und schweißbedeckt; es spiegelte die Qual wider, mit der die Erinnerungsflut sie durchpulste.
»Schieb dir deine Hilfe in den Allerwertesten!«
Aruula prallte spürbar vor ihr zurück. So viel Aggression hatte sie nicht erwartet.
Eine weitere Gestalt löste sich aus dem Hintergrund. Matt Drax.
»Hey, komm wieder runter. Was ist denn in dich gefahren?«, fragte er. »Stimmt es, was Aruula vermutet? Warst du schon mal hier? Das muss Teheran sein - oder das, was aus der Stadt in den Jahrhunderten seit dem Einschlag geworden ist.«
Xij reckte trotzig das Kinn vor. Innerlich kapitulierte sie vor den entfesselten Bildern, denen kein Einhalt zu gebieten war. Die Erinnerungen des Toten, der sie einmal gewesen war, drängten in ihre Gedanken, überlagerten sie zu einem bizarren Doppelbild…
Rulfans Warnruf schnitt in Xijs Gehör. Seltsamerweise half ihr der Schrei, sich noch einmal gegen die Erinnerungsfluten zu behaupten. Sie schüttelte sich wie ein nasser Lupa und blickte dorthin, von wo sich ein Schrecken näherte, der einen Namen hatte, den sie wahrscheinlich nie mehr vergessen würde.
»Pueraquilas!«, kam es heiser über ihre
Weitere Kostenlose Bücher