2944 - Rache ist ein seltsames Spiel (German Edition)
einjagen. Glauben Sie, ich wäre so dämlich, mich an einer FBI-Agentin zu vergreifen?«
»Warum nicht?«, warf Phil ein. »Bei anderen Frauen kennen Sie doch auch keine Hemmungen.«
»Ja, aber nach diesen Mexikanerinnen kräht doch kein Hahn, Agent Decker. Was passiert denn, wenn eine von denen spurlos verschwindet? Okay, die liebe Familie daheim im Bohnenfresser-Land macht sich bestimmt Sorgen. Aber was können die Amigos schon tun? Die kriegen es doch noch nicht mal sprachlich auf die Reihe, hier bei uns nach der Schnepfe suchen zu lassen.«
Youngs zynische Art war menschenverachtend, aber im Kern hatte er leider recht. Wenn eine Einwanderin – ob legal oder illegal – plötzlich von der Bildfläche verschwand, fiel das normalerweise nicht weiter auf. Diese Frauen lebten oft sehr isoliert.
»Wo waren Sie gestern gegen neun Uhr abends?«, wollte ich wissen. Der Zuhälter grinste.
»Ich war geschäftlich unterwegs, musste einige Kontakte knüpfen.«
»Gibt es Zeugen, die das bestätigen können?«
Young grinste.
»Nee, Agent Cotton. Die Leute, die ich treffen wollte, waren leider nicht zu erreichen.«
»Ich stelle fest, dass Sie für den Zeitpunkt von Laura Darros Entführung kein Alibi haben.«
Der Verbrecher hob die Augenbrauen.
»Ihre Kollegin wurde also wirklich gekidnappt? Aber nicht von mir, das kann ich nur wiederholen. Ich verlasse mich auf unser faires Justizsystem. Ich werde wohl kaum für ein Verbrechen verurteilt, das ich nicht begangen habe.«
»Sie fahren so oder so in Rikers ein«, knurrte Phil. »Ein Geständnis kann Ihre Lage nur verbessern.«
»Möglich, aber ich habe Ihre Kollegin nicht verschleppt.«
»Haben Sie eigentlich eine Vorliebe fürs Internet?«, wollte ich wissen.
»Wie kommen Sie denn darauf, Agent Cotton? Ich habe Computer immer schon gehasst, da können Sie fragen, wen Sie wollen. Im Knast wurden mal Computerkurse angeboten, aber ich habe stattdessen lieber in der Näherei gearbeitet.«
Diese Angabe ließ sich wenigstens nachprüfen, was wir später auch tun wollten. Wir setzten das Verhör noch eine Zeitlang fort, aber Young blieb bei seiner Geschichte. Schließlich ließen wir ihn wieder in seine Arrestzelle schaffen. Am nächsten Tag sollte er seinen Haftprüfungstermin bekommen. Es schien ausgeschlossen, dass Young angesichts seiner Verbrechen an den jungen Frauen auf freien Fuß gesetzt würde.
***
Phil und ich berieten uns in unserem Büro.
»Haben wir Lauras Kidnapper nun erwischt oder nicht, Jerry?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Es passt nicht zusammen. Ich habe mir noch einmal das Täterprofil angeschaut, das Laura Darro vor dem ersten Prozess von Young erstellt hat. Sie schreibt, dass er sich gerne an Frauen vergreift, denen er sich überlegen fühlt. Das trifft auf seine jetzigen Opfer zu. Von diesen Mexikanerinnen hat keine einen Schulabschluss, das wissen wir inzwischen. Aber Laura Darro? Sie hat studiert, war auf der FBI-Akademie in Quantico.«
»Vielleicht lief es bei ihr ja anders, Jerry. Womöglich hat Young sie gehasst, weil er sich ihr gegenüber minderwertig fühlte.«
»Okay, das ist möglich. Aber wo hat er Laura Darro versteckt? Das Haus, in dem er gelebt hat, ist groß genug. Dort haben unsere Kollegen noch mehrere nicht genutzte Räume gefunden, die sich als Kerker eignen würden. Warum sollte Young unsere Kollegin in einem anderen Versteck unterbringen? Das ist viel zu gefährlich, weil er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein kann.«
In diesem Moment kam ein Kollege von der SRD herein und brachte einen vorläufigen Spurensicherungsbericht von Youngs Behausung. Dort war nirgendwo Laura Darros DNA gefunden worden. Auch in Youngs Chrysler hatte es keine Hinweise auf die Profilerin gegeben, weder Haare noch sonstige Spuren.
Gegen den Zuhälter als Täter sprach auch, dass er keine außergewöhnlichen Computerkenntnisse besaß. Natürlich konnte er einen Hacker als Komplizen angeheuert haben, aber das erschien mir unwahrscheinlich. Young war eher der Einzelgänger-Typ.
Der Zuhälter war trotzdem nach wie vor verdächtig, aber wir durften uns keinesfalls nur auf ihn konzentrieren. Mein Handy klingelte. June Clark war am Apparat.
»Blair und ich beschatten immer noch Ron Tatum«, berichtete unsere blonde Kollegin. »Jetzt ist etwas Auffälliges geschehen. Tatum ist losgefahren, in seinem nachtblauen Buick. Er hat am Grand Central Terminal einen Mann auf der Beifahrerseite einsteigen lassen. Es ist mir gelungen, mit Teleobjektiv ein Foto
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