2948 - Undercover ins Jenseits
Platz mit wenig öffentlichem Aufsehen festzunehmen. Dachten wir jedenfalls. Wir konnten ja nicht ahnen, dass da offenbar noch mehr Leute an Roddy interessiert waren.
»Da hinten ist es«, sagte Phil, als wir uns aus nördlicher Richtung unserem Ziel näherten. Vor uns lag unübersehbar die größte Veranstaltungshalle weit und breit, das Nassau Veterans Memorial Coliseum, von Kritikern als größtes Festzelt östlich des Mississippi verspottet. Dahinter bildeten die beiden futuristisch anmutenden Gebäude des sogenannten Rockefeller Center von Long Island, das Uniondale’s Reckson Plaza Business Centre , das architektonische Gegenstück zum einfachen Entwurf des Coliseums aus den frühen 1970er-Jahren.
Hier jedenfalls wollten wir Roddy festnehmen.
Das Coliseum war eine große, inzwischen in die Jahre gekommene Multifunktionsarena, die in Uniondale auf Long Island stand. Die Halle hatte mit Sicherheit schon bessere Zeiten gesehen, aber nach wie vor fanden hier große Popkonzerte statt. Die Halle war aber auch die Heimspielstätte der New York Islanders , einer Eishockeymannschaft, die in der Eastern Division der National Hockey League antrat.
Diese Mannschaft war der springende Punkt. Denn die Islanders hatten eine Menge Fans. Einer von ihnen war unser Mann: Rodrigo Sanchez-Alvares. Dass wir ihn heute ausgerechnet hier, an dieser Eventhalle mit den riesigen Parkflächen drum herum, treffen konnten, diese Information hatten wir dem digitalen Kalender in seinem Handy zu verdanken.
Denn an diesem Vormittag trainierten die Islanders für das nächste Lokalderby gegen die New Jersey Devils . Doch es war kein Training wie jedes andere. Zwei hoffnungsvolle Nachwuchstalente sollten erstmals mit den Stars der Islanders gemeinsam auf dem Eis stehen und trainieren. Das war eigentlich noch geheim, und nicht einmal die New Yorker Sportpresse hatte Wind davon bekommen. Aber Roddy Sanchez-Alvares wusste Bescheid, er hatte eben auch im Eishockey die richtigen Beziehungen zu den richtigen Leuten. Als großer Fan der Islanders wollte er sich die Chance nicht entgehen lassen, sich die beiden jungen Spieler live anzusehen.
***
Peter Barber musste dringend in seine Heimat, die Vereinigten Staaten, zurückkehren. Doch das stellte ein Problem dar. Barber hatte seine vertrauenswürdigen Kontakte angezapft, und die hatten keine guten Nachrichten für ihn, als er zuletzt mit ihnen gesprochen hatte. Hätte er versucht, auf normalem Wege einzureisen, dann hätte man ihn an der Grenze oder am Flughafen freundlich, aber bestimmt aus der Schlange der Reisenden gebeten, man hätte ihn in einen separaten Raum geführt. Man hätte ihm seinen Diplomatenpass abgenommen – was unter normalen Umständen ein ungeheuerlicher Vorgang ist – und ihn an einen Ort gebracht, an dem er handlungsunfähig gewesen wäre, an dem er zumindest sein Vorhaben, das er so leidenschaftlich verfolgte, hätte vergessen können.
Das musste er unter allen Umständen verhindern. Denn es gab etwas zu erledigen, das verdammt wichtig war.
Also hatte er einen Plan geschmiedet. Und deshalb war er in die mexikanische Stadt Altar gekommen.
Er saß auf dem Bürgersteig, an eine gekalkte Hauswand gelehnt, und wischte sich mit dem Ärmel seines schwarzen Baumwollhemdes den Staub aus dem Gesicht. Peter Barber stand auf, schnallte sich seinen schweren und prall gefüllten Rucksack auf und marschierte die Hauptstraße hinauf.
Diese Stadt lebte zu einem großen Teil davon, dass illegale Grenzgänger hier Richtung Norden aufbrachen. An den Ständen der Straßenhändler gab es alles zu kaufen, was man bei den langen Märschen durch die Wüste brauchte. Sogar Sturmhauben, um das Gesicht unterwegs vor versteckten Kameras zu verbergen, waren im Angebot.
In der Stadt tummelten sich Menschen aus allen Landstrichen Mittel- und Südamerikas, so schien es zumindest. Barber fiel als Gringo schon ziemlich auf, aber alle, die sich in dieser Grenzstadt in der Nähe von Arizona versammelt hatten, interessierten sich überwiegend für sich selbst. Im Grunde war es bei Barber auch nicht anders.
Seit dem unerwarteten Zwischenfall vor der Toluca Bar hatte er sich unsichtbar gemacht. Er war schnell in seine Wohnung gefahren, hatte sich das Notwendigste geholt und war dann erst einmal abgetaucht. Er hatte sich in billigen Motels versteckt und sorgfältig einen Plan geschmiedet, der auf einer grundsätzlichen Entscheidung basierte: Niemand wusste, wo er war und was er vorhatte. Und das sollte auch
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