3 Die Rinucci Brüder: Unter der goldenen Sonne Roms
ihm wird Hören und Sehen vergehen“, prophezeite Charlie.
„So? Wie soll ich das verstehen?“, fragte Luke interessiert.
„Ach, ich werde das tun, was meiner Meinung nach nötig ist“, erwiderte Minnie an Charlies Stelle und blickte Luke an.
„Was genau das sein wird, entscheiden Sie vermutlich später, oder?“
„Ich halte mir gern alle Möglichkeiten offen.“
„Wenn sie fertig mit ihm ist, wünscht er sich wahrscheinlich, er wäre nie geboren“, fügte Charlie hinzu.
„Hat dieser schreckliche Vermieter auch einen Namen?“, erkundigte sich Luke.
„Minnie nennt ihn immer nur den personifizierten Teufel.“
„Hört mit dem Unsinn auf“, forderte sie die beiden Männer streng auf. „Ich muss überlegen, wie wir vorgehen. In einigen Stunden werdet ihr dem Haftrichter vorgeführt und solltet einen guten Eindruck machen. Charlie, ich lasse dir saubere Kleidung bringen. Signor Cayman, Sie sollten sich auch umziehen und Ihren Personalausweis vorlegen können. Wie kommen Sie an Ihre Sachen?“ „Ich könnte im Hotel anrufen und darum bitten, mir alles zu bringen“, antwortete er nach kurzem Zögern. „Doch ich möchte vermeiden, dass man erfährt, wo ich bin.“
„Okay. Wie gelange ich in Ihr Zimmer?“
„Die Chipkarte habe ich bei mir.“ Er zog die Karte aus der Gesäßtasche und reichte sie ihr. „Die Suite befindet sich in der dritten Etage.“
„Ich kann nicht glauben, dass ich so etwas mache“, sagte sie mehr zu sich selbst.
„Vergessen Sie einfach, dass ich der personifizierte Teufel bin“, schlug Luke vor. „Das erleichtert Ihnen die Sache.“
Erstaunt sah Charlie von einem zum anderen.
„Sie können es ihm erklären, wenn ich weg bin“, forderte sie Luke auf. „Übrigens, ich habe Sie nie als den personifizierten Teufel bezeichnet“, erklärte sie beim Hinausgehen über die Schulter. „Ich bin erleichtert.“
„Freuen Sie sich nicht zu früh. Ich habe Sie stattdessen ein Monster genannt. Bis später!“
Minnie fuhr in nördlicher Richtung über die Ponte Sisto, die Brücke, die über den Tiber führte, und weiter zum Hotel „Contini“. Sie kochte vor Zorn. Schon seit mehreren Jahren war sie wütend auf ihren Vermieter. Ihrer Meinung nach war er ein Schurke, der nur daran interessiert war, so viel Geld wie möglich mit der Immobilie zu verdienen. Seit sie ihm mit gerichtlichen Schritten gedroht hatte, hatte er immer neue Ausreden erfunden. Und als sie überzeugt gewesen war, ihn zum Handeln gezwungen zu haben, hatte er den letzten Trumpf ausgespielt und das Mietshaus Luke Cayman überschrieben. Deshalb hatte sie wieder von vorne anfangen müssen. Ob sie zorniger auf den früheren oder auf den neuen Besitzer war, wusste sie selbst nicht.
Dass sie ausgerechnet ihn aus dem Polizeigewahrsam herausholen musste, brachte das Fass zum Überlaufen.
Es wurde langsam hell, und über die schlafende Stadt legte sich ein feiner Dunstschleier. Schon von weitem erblickte sie den ehemaligen Palazzo, den man zu einem luxuriösen Hotel umgebaut hatte. Es war kaum zu glauben, dass dieser Kerl, der in der Arrestzelle saß, wirklich im „Contini“
abgestiegenwar.
Glücklicherweise war der Nachtportier eingedöst. Sie erreichte unbemerkt den Aufzug und fuhr in die dritte Etage. In Lukes Suite durchquerte sie das große Wohnzimmer und trat auf den Balkon. Was für eine herrliche Aussicht, dachte sie, während sie den Blick über die grünen Gärten der Villa Borghese, die rechts von ihr lagen, und den Vatikan auf der linken Seite schweifen ließ. Die Kuppel des Petersdoms erstrahlte in der aufgehenden Sonne.
Es war ein großartiges Panorama, friedlich und einzigartig – und genau das Richtige für einen reichen Mann, fügte sie in Gedanken gereizt hinzu. Nur reiche Leute konnten es sich erlauben, in diesem Hotel zu übernachten. Luke Cayman hatte sich offenbar einen Spaß daraus gemacht, sich für einige Stunden unters Volk zu mischen.
Dass er dabei in einer Arrestzelle landen würde, hatte er sich natürlich nicht träumen lassen. Doch letzten Endes half ihm sein Geld, aus jeder schwierigen oder peinlichen Situation herauszukommen. Unterdessen wohnten seine Mieter immer noch in einem Haus, das schäbig und
renovierungsbedürftig war.
Sekundenlang war sie so wütend, dass sie beinah hinausgestürmt wäre, ohne etwas mitzunehmen. Sollte er doch sehen, wie er zurechtkam. Vielleicht fand er die ganze Sache dann nicht mehr so lustig. Doch schließlich gewann ihre Professionalität
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