3. Reich Lebensborn E.V.rtf
Jetzt wollte er starten, fliegen, kämpfen und fallen.
»Und ich ...«, stieß er mit fremder, harter Stimme hervor,
»ich ... will dich nie ... nie mehr sehen ... hörst du!«
Doris rührte sich nicht.
»Geh!« zischte er.
Jetzt tat sie es.
Als sie sich mit zögernden Füßen von ihm entfernte, hoffte Klaus, daß sie bleiben würde. Der Fliegeroffizier trat mit dem Stiefel gegen Adolf Hitlers schäbige Eiche. Doris, dachte er, 53
verloren, verraten, verdammt. Er preßte die Hände an die Rinde.
Und auf einmal drehte sich der Baum mit ihm, flachtrudelnd wie ein Flugzeug, das in den Abgrund stürzt ... Der Abend gibt sich zwanglos, unpolitisch und unbiologisch. Sturmbannführer Westroff-Meyer läßt kalte Platten zum Pfefferminztee reichen. »So, Kinder ...«, sagt er jovial, als er die starre Tischordnung aufhebt, »nun beriecht euch erst mal
...«
Jetzt geht der Heimleiter mit schnellem Schritt durch den unteren Speisesaal auf eine Gruppe von RAD-Führerinnen zu, die unter dem Spruchband »Heilig sei uns jede Mutter guten Blutes!« ihre Schinkenbrötchen verzehren und ihren Pfefferminztee trinken.
»Na, wie fühlt ihr euch?« fragt er.
»Danke, gut, Sturmbannführer«, antworten sie im Chor.
»Ihr sollt euch hier richtig einleben«, erwidert WestroffMeyer, »am Tag werden wir hart arbeiten ... aber am Abend wollen wir gesellig sein ...« Er nickt und schnarrt:
»Weitermachen!«
Dann geht er auf die andere Seite, auf zwei alleinsitzende SS-Unterführer zu, die aufspringen wollen, was er mit einer Handbewegung verhindert.
»Wir sind hier nicht so förmlich«, stellt er gut gelaunt fest.
»Gefällt’s euch?«
Er wartet das obligate »Jawohl!« nicht ab, sondern setzt gleich hinzu:
»Sitzt doch hier nicht rum wie die Holzblöcke ... los, laßt die Mädchen da drüben nicht allein!« Seine kleinen Hechtaugen streifen den anderen Tisch. »Die beißen euch schon nicht.«
Die Maiden beobachten ängstlich und neugierig das Gespräch.
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Wenn sie über die Köpfe der beiden Soldaten hinwegsehen, lesen sie an der Wand:
›Dem Sieg der Waffen muß der Sieg des Kindes folgen!‹
Und darunter steht, um den letzten Zweifel auszuschließen, als Verfasser dieses Kernspruchs: Heinrich Himmler. In der Tür dreht sich Westroff-Meyer noch einmal zurück, um zu verfolgen, wie sein Befehl von den SS-Führern ausgeführt wird.
Die beiden SS-Leute sehen es und stehen auf. Sie gehen eckig auf den anderen Tisch zu, während die Maiden geflissentlich an ihnen vorbeisehen. Der vordere überspielt seine Verlegenheit.
»Na«, sagt er, »was macht ihr denn hier?« Dabei nimmt er einen Stuhl und setzt sich umständlich.
»Ihr seid wohl taubstumm?« fragt der zweite.
»Nein«, erwidert eines der Mädchen, »ihr seid ja auch nicht sehr gesprächig.«
»Kommt schon noch«, beteuert der erste, bevor er schweigt. Er dreht sich nach seinem Kameraden um und flucht halblaut:
»Herrgott ... zum Trinken müßte man was haben!«
Zufriedener ist der Heimleiter schon mit dem Musiksaal, dessen verstimmtem Klavier ein junger Leutnant markige Weisen abgewinnt, angefeuert von dem angetrunkenen Hauptsturmführer Kempe, der immer bei allem vorangehen muß. Dieser Raum reißt die erste Bresche in die lähmende Atmosphäre des Lebensborn-Heimes. Hier finden die ersten zusammen, weil sie primitiv oder kaltschnäuzig, angetrunken oder gleichgültig sind, oder weil sie ganz einfach die Befangenheit zu Paaren treibt. Hier stehen die Männer und Mädchen bereits in bunter Reihe um das Instrument. In einem improvisierten Wunschkonzert, für das das Repertoire des Pianisten nicht ausreicht.
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»Los!« ruft Kempe mit dröhnendem Baß dem Klavierspieler zu. Er fuchtelt mit den Armen den Rhythmus mit und grölt:
»Oh ... du schö-ö-öner Westerwald ...« Beim Wort ›schön‹
fährt seine Stimme Schiffschaukel.
Ein Mädchen lacht hell. Zwei Männer singen mit. Ein Untersturmführer legt die pralle Hand auf die Schulter einer üppigen Blondine. Sie kichert und zeigt neckische Gegenwehr.
» ... pfeift der Wind so kalt ...«, tobt Hauptsturmführer Kempe.
Dann sieht er den Heimleiter und bricht ab.
»Weitermachen!« befiehlt der Sturmbannführer zum zweitenmal. Er klopft dem Klavierspieler auf die Schulter.
»Bringen Sie nur etwas Leben in die Bude, Mann ...« Bevor er den Raum verläßt, setzt er überflüssig hinzu:
»Herrschaften, morgen um zehn, im Lehrsaal eins ... Heil Hitler!«
»Heil Hitler!« rufen sie zurück.
Dann marschiert
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