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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mitnimmt oder Gorbatschow seinen Platz in einer Schlange anbietet, ist solchen Manipulationen zuzuschreiben.«
    »Deswegen lache ich ja gar nicht«, erklärte Kostja. »Ich habe Sie mir in der Uniform eines weißgardistischen Offiziers vorgestellt ... Chef. Sie flößen wirklich Respekt ein.«
    »Lach nur, lach ...«, sagte Edgar, während er sich Kaffee einschenkte. »Was macht der >Kompass    Schweigend legte ich den Brief auf den Tisch. Das Zwielicht-Bild hing sich in die Luft - ein runder »Kompass«, eine sich langsam drehende Nadel.
    Ich goss mir Tee ein und trank einen Schluck. Der Tee war gut. Mit Liebe gemacht, wie es sich gehört, wenn man ihn »Wohlgeboren« serviert.
    »Er ist also im Zug, der Mistkerl ...«, seufzte Edgar. »Meine Herren, ich werde euch unsere Alternativen nicht vorenthalten. Entweder wir fassen den Täter oder wir müssen den Zug eliminieren. Zusammen mit allen Passagieren.« »Wie?«, wollte Kostja sachlich wissen.
    »Es gibt verschiedene Varianten. In der Nähe des Zuges könnte eine Gasleitung explodieren, ein Jagdflugzeug könnte versehentlich eine Rakete abwerfen ... im Extremfall wird diese Rakete einen Atomsprengkopf haben.«
    »Edgar!« Alles in mir wollte glauben, dass er bloß in allzu dicken Farben auftrug. »Im Zug sitzen mindestens fünfhundert Menschen.« »Leicht darüber«, korrigierte mich der Inquisitor. »Das dürfen wir nicht tun!«
    »Wir dürfen das Buch nicht verlieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein prinzipienloser Anderer sich eine Garde aufbaut und sich daran macht, die Welt nach seinem Gusto umzubauen.« »Aber wir wissen doch gar nicht, was er will!«
    »Wir wissen, dass er ohne zu zögern einen Inquisitor umgebracht hat. Wir wissen, dass er sehr stark ist und ein uns nicht bekanntes Ziel verfolgt. Was hat er in Zentralasien verloren, Gorodezki?« Ich zuckte mit den Achseln.
    »Dort gibt es eine Reihe von alten Kraftzentren ...«, murmelte Edgar. »Ein paar spurlos verschwundener Artefakte, einige schlecht zu kontrollierende Gebiete ... Was noch?« »Eine Milliarde Chinesen«, mischte sich Kostja plötzlich ein. Die Dunklen starrten einander an.
    »Du bist ja völlig verrückt geworden ...«, brachte Edgar unsicher hervor.
    »Eine Milliarde und ein paar Zerquetschte«, präzisierte Kostja amüsiert. »Was, wenn er vorhat, sich von Kasachstan aus nach China durchzuschlagen? Eine Armee könnte er da aufbauen! Eine Milliarde Andere! Dann gibt es noch Indien...«
    »Nun krieg dich mal wieder ein«, winkte Edgar ab. »Kein Idiot würde so etwas versuchen. Woher will er Kraft schöpfen, wenn er ein Drittel der Bevölkerung zu Anderen macht?« »Vielleicht ist er ein Idiot?«, gab Kostja nicht nach.
    »Deshalb greifen wir ja auch zu extremen Maßnahmen«, fuhr Edgar ihn an.
    Was sie sagten, meinten sie ernst. Ohne jeden Zweifel: Sie durften diese manipulierten Waggonbetreuer, dickwangigen Geschäftsreisenden und die armen Menschen in den Waggons dritter Klasse ermorden. Was sein muss, muss sein. Ein Landwirt, der das an Maul- und Klauenseuche erkrankte Vieh schlachten muss, leidet schließlich auch darunter.
    Irgendwie stand mir der Sinn nicht mehr danach, Tee zu trinken. Ich erhob mich und verließ das Abteil. Edgar schickte mir einen wissenden, aber keinesfalls mitfühlenden Blick hinterher.
    Im Waggon war es bereits ruhiger geworden, die Leute bereiteten sich auf die Nacht vor. Einige Abteiltüren standen zwar noch offen, irgendjemand drückte sich im Gang zwischen zwei Waggons herum und wartete, bis die Toilette frei wurde, irgendwo war zu hören, wie Leute anstießen; die meisten Mitreisenden aber hatte Moskau sehr müde gemacht.
    Ungerührt ließ ich mir den Gedanken durch den Kopf gehen, dass nach allen Gesetzen des Melodramas jetzt engelsgleiche Kinderchen mit unschuldigen Gesichtern durch den Gang rennen müssten. Damit mir die Perversität von Edgars Plan so richtig aufginge...
    Kinder kamen keine vorbei. Stattdessen spähte aus einem Abteil ein fetter Kerl in verwaschener Trainingshose und ausgeleiertem Hemd heraus. Das rote, verschwitzte Gesicht war durch den bereits genossenen Alkohol schon aufgedunsen. Der Mann schaute mit trübem Blick durch mich hindurch, hickste und zog sich ins Abteil zurück.
    Meine Hände griffen ganz von selbst nach dem MD-Player. Ich stöpselte mir die Kopfhörer in die Ohren, legte aufs Geratewohl eine Scheibe ein und presste mich ans Fenster. Ich sah nichts, ich hörte nichts. Und - aber das verstand sich von selbst -

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