Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
stattdessen sorgfältig zu inspizieren. »Er muss eingetrocknet sein...«, murmelte er. Von wegen ein maskierter Anderer! »Gib mal her«, sagte ich.
    »Nein, jetzt warte«, empörte sich Lass. »Was ist das? Erhöhter Zuckergehalt? Gleich...«
    Er packte den Saum seines T-Shirts, wickelte ihn um den Verschluss und drehte so heftig daran, dass seine Adern hervortraten. »Er kommt!«, rief er hitzig. »Er kommt!« Etwas splitterte. »Er kommt...«, wiederholte Lass unsicher. »Oh...«
    Bedripst streckte er mir die Hände hin. In der einen hielt er die gläserne Flasche, in der andern den Verschluss - der fest in dem abgebrochenen Hals steckte. »Tut mir leid... so ein Mist...«
    Doch schon im nächsten Moment flackerte in Lass' Blick so etwas wie Stolz auf. »Mann, hab ich Kräfte! Niemals hätte ich gedacht ...«
    Ich schwieg, während ich mir Edgars Gesicht vorstellte, der seinen kostbaren Artefakt eingebüßt hatte.
    »War das eine wertvolle Flasche?«, fragte Lass schuldbewusst. »Antiquarisch oder so?«
    »Ouatsch«, murmelte ich. »Um den Armagnac tut es mir leid. Da ist jetzt Glas drin.«
    »Das macht nichts«, versicherte Lass munter. Er stellte die lädierte Flasche auf dem Tisch ab und kramte abermals in seinem Koffer herum. Schließlich beförderte er ein Taschentuch zu Tage und riss theatralisch das Etikett ab. »Das ist sauber. Nicht einmal gewaschen. Und kein chinesisches, sondern ein tschechisches, sodass wir keine Lungenentzündung befürchten müssen!«
    Er faltete das Taschentuch zweimal, legte es über die Flaschenöffnung und goss den Armagnac ungerührt in die Becher. Dann hob er seinen. »Auf die Reise!« »Auf die Reise!«, wiederholte ich.
    Der Armagnac war mild, aromatisch und leicht süß, fast wie warmer Traubensaft. Er trank sich gut, ließ nicht mal den Gedanken aufkommen, man müsse etwas dazu essen - und explodierte bereits irgendwo tief in meinem Innern, so human und präzise, dass jede amerikanische Rakete vor Neid erblassen könnte.
    »Ein ausgezeichnetes Tröpfchen«, lobte Lass und atmete tief aus. »Aber wie ich schon gesagt habe, ein zu hoher Zuckergehalt! Mir schmeckt armenischer Kognak gerade deshalb besser, weil er ein Minimum an Zucker enthält, dafür aber das ganze Aromaspektrum bewahrt... Lass uns noch einen trinken.«
    Die zweite Runde kam in die Becher. Lass guckte mich herausfordernd an. »Auf die Gesundheit?«, schlug ich unsicher vor.
    »Auf die Gesundheit«, stimmte Lass zu. Er trank aus und schnüffelte an dem Taschentuch. Dann schaute er zum Fenster hinaus und zuckte zusammen. »Mannomann ... das Zeug haut dich um.« »Was ist?«
    »Du wirst denken, ich spinne, aber ich glaube, neben dem Waggon fliegt eine Fledermaus!«, rief Lass aus. »Eine riesige, so groß wie ein Schäferhund. Br, rr, rr...«
    Ich nahm mir vor, mit Kostja mal ein paar freundliche Takte zu reden. »Das ist keine Fledermaus«, versuchte ich das Ganze als Scherz abzutun. »Sondern vermutlich ein Eichhörnchen.«
    »Ein fliegendes Eichhörnchen«, grummelte Lass. »Ja, ja, keiner entkommt seinem Schicksal... Nein, das ist eine riesige Fledermaus, Ehrenwort!«
    »Die ist bloß ziemlich dicht an die Scheibe herangeflogen«, vermutete ich. »Da du nur kurz hingeschaut hast, konntest du die Entfernung nicht richtig einschätzen, und da ist dir das Tier viel größer vorgekommen, als es eigentlich ist.«
    »Hm, kann schon sein ...«, meinte Lass nachdenklich. »Und was macht sie hier? Warum fliegt sie neben dem Zug her?«
    »Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung«, sagte ich, griff mir die Flasche und schenkte die dritte Runde aus. »Eine Lok, die sich mit hoher Geschwindigkeit vorwärts bewegt, schafft vor sich eine Art Luftschild. Dieser Schild schlägt Mücken, Schmetterlinge und alles mögliche fliegende Getier k. o. und stößt es in die Luftstrudel hinein, die auf allen Seiten um den Zug herumwirbeln. Daher lieben Fledermäuse es, nachts neben einem fahrenden Zug herzufliegen und die ausgeschalteten Mücken zu fressen.«
    Lass dachte darüber nach. »Und warum fliegen dann tagsüber nicht Vögel neben den Zügen her?«
    »Das ist genauso einfach!« Ich hielt ihm den Becher hin. »Vögel sind viel dümmere Geschöpfe als Säugetiere. Daher haben Fledermäuse bereits mitgekriegt, wie sie einen Zug zur Nahrungsbeschaffung ausnutzen können, und Vögel eben noch nicht! In hundert, zweihundert Jahren wird auch zu den Vögeln vorgedrungen sein, wie sie von Zügen profitieren können.«
    »Und

Weitere Kostenlose Bücher