3 - Wächter des Zwielichts
einen Hinweis geben.« »Wozu?«, fragte ich.
»Den Brief hat er ja zu einem bestimmten Zweck abgeschickt«, erinnerte mich Geser. »Wir müssen auf solche Briefe reagieren, Anton, das wirst du einsehen. Nehmen wir einmal das Schlimmste an, nämlich dass ein Verräter unter den Anderen existiert, der Menschen das Geheimnis unserer Existenz enthüllt.« »Aber wer würde ihm denn glauben?«
»Einem Menschen würde man natürlich nicht glauben. Aber ein Anderer könnte seine Fähigkeiten unter Beweis stellen.«
Da hatte Geser natürlich Recht. Was mir jedoch nicht in den Kopf wollte: Wer würde so etwas tun? Und weshalb? Selbst der dümmste und fieseste Dunkle müsste sich im Klaren darüber sein, was er in Gang setzt, wenn er die Wahrheit preisgibt. Eine neue Hexenjagd nämlich.
Dabei dürften die Menschen keine Schwierigkeiten haben, sowohl in den Dunklen wie auch in den Lichten die Hexen zu sehen. In allen, die Anlagen zum Anderen haben... Auch in Sweta. Auch in Nadjuschka.
»Wie kann man denn aus einem Menschen einen Anderen machen?«, fragte ich. »Über den Vampirismus?«
»Durch Vampire, Tiermenschen ...« Geser breitete die Arme aus. »Das ist wohl ein Weg. Die Initiierung erfolgt dann auf dem allergröbsten, primitivsten Niveau dunkler Kraft. Bezahlen muss man dafür mit dem Verlust der menschlichen Existenz. Einen Menschen zum Magier zu initiieren ist dagegen unmöglich.«
»Nadjuschka ...«, flüsterte ich. »Schließlich haben Sie doch auch Swetlanas Schicksalsbuch umgeschrieben!«
»Nein, Anton«, entgegnete Geser kopfschüttelnd. »Deiner Tochter war es bestimmt, als Große auf die Welt zu kommen. Wir haben nur für das richtige Vorzeichen gesorgt. Das Element des Zufalls ausgeschaltet...«
»Jegor«, erinnerte ich ihn. »Der Junge war schon ein Dunkler geworden...«
»Bei ihm haben wir bloß das Zeichen der Initiierung gelöscht. Wir haben ihm die Chance gegeben, noch einmal zu wählen«, bestätigte Geser. »Alle Interventionen, zu denen wir in der Lage sind, hängen mit der Wahl zwischen Licht und Dunkel zusammen, Anton. Aber zu wählen, ob wir ein Mensch oder ein Anderer sein wollen, ist uns nicht gegeben. Das ist niemandem auf dieser Welt gegeben.«
»Also geht es um Vampire«, sagte ich. »Nehmen wir an, bei den Dunklen ist mal wieder ein verliebter Vampir aufgetaucht ...«
»Das ist möglich.« Geser breitete die Arme aus. »Dann wäre das Ganze relativ einfach. Die Dunklen überprüfen ihre Untoten, denn sie haben das gleiche Interesse wie wir ... Ach ja. Sie haben übrigens auch so einen Brief bekommen. Haargenau den gleichen. Der ebenfalls aus dem Assol abgeschickt wurde.« »Und die Inquisition hat keinen bekommen?«
»Du begreifst immer schneller«, lachte Geser. »Die auch. Per Post. Aus dem Assol.«
Ganz offensichtlich spielte Geser auf etwas an. Ich dachte kurz nach und kam dann auf eine weitere fulminante Schlussfolgerung. »Damit untersuchen beide Wachen und die Inquisition den Fall, nicht wahr?«
In Gesers Blick flackerte Enttäuschung auf. »Sieht ganz danach aus. Privat kann man sich schon einem Menschen zu erkennen geben, wenn es unbedingt sein muss. Du weißt, was ich meine ...« Er nickte zur Tür, durch die die beiden Besucher hinausgegangen waren. »Aber eben nur privat. Wobei entsprechende magische Einschränkungen zum Tragen kommen. Diese Sache ist aber viel schlimmer. Offenbar plant ein Anderer, einen Handel mit Initiierungen aufzuziehen.«
Als ich mir einen Vampir vorstellte, der einem neureichen Russen seine Dienste anbot, musste ich lächeln. »Wollen Sie nicht mal ein bisschen richtiges Blut aus dem Volk saugen, mein lieber Herr?« Obwohl - es geht ja nicht ums Blut. Selbst der schwächste Vampir oder Tiermensch verfügt über Kraft. Sie brauchen keine Angst vor Krankheiten zu haben und leben sehr, sehr lange. Auch die Körperkräfte sollte man nicht vergessen. Ein Tiermensch steckt einen Karelin in die Tasche, poliert einem Tyson die Fresse. Und auch jener >Tiermagnetismus< selbst, jener >Ruf<, den sie vollendet beherrschen, ist nicht zu verachten. Ein Wink - und dir gehört jede Frau.
Natürlich haben sowohl Vampire wie auch Tiermenschen in der Realität mit etlichen Einschränkungen zu kämpfen. Die sogar noch gravierender sind als für Magier, ihre Unausgeglichenheit verlangt das. Aber ob das einem frisch gebackenen Vampir klar ist? »Worüber lachst du?«, fragte Geser.
»Ich habe mir gerade ein Zeitungsinserat vorgestellt. Verwandle Sie in einen
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