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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kleinen, zwinkernden Äuglein.
    „Von wem?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Hast du Verdacht?“
    „Nein.“
    „Es ist keiner deiner Dienstboten?“
    „Nein.“
    „Was ist es, was dir gestohlen worden ist? Ein Rentier?“
    „Oh, Härra, wie könnte ich wissen, ob mir ein Ren gestohlen worden sei! Ich habe über tausend Stück, von denen sich oft eins verläuft. Und ein Ren, wenn es mir genommen worden ist, verursacht mir keinen solchen Schmerz. O nein, der Diebstahl ist viel schlimmer, denn mir fehlt Geld, viel Geld!“
    Bei diesen Worten brach er in bittere Tränen aus. Das kindliche Gemüt des Lappen vermochte den Verlust nicht mit männlicher Resignation zu ertragen.
    Jetzt ahnte ich den Zusammenhang. War der Mann, welcher sich vor uns flüchtete, der Dieb gewesen? Hatte er vielleicht eines der verborgenen Verstecke Pents entdeckt? Vater Pent war sehr reich; er besaß über tausend Rene, wie er mir soeben gesagt hatte; er hatte sicherlich viel Geld vergraben.
    Wenn der Lappe einen Markt oder eine der wenigen Städte besucht, so läßt er sich den Preis seiner Felle und anderen Waren in harten Silbertalern bezahlen. Alljährlich wandern auf diese Weise bedeutende Quantitäten Silber nach den unwirtlichen Gegenden des hohen Nordens, wo sie verschwinden, denn der Bewohner der Lappmarken gibt selten oder nie einen Taler wieder heraus, den er einmal eingenommen hat. Ist der Beutel voll geworden, so sucht er sich eine einsame Stelle im Wald, im Sumpf oder zwischen Felsen, wo er die harten ‚Riksdaler‘ versteckt; er beobachtet darüber das tiefste Schweigen und enthüllt sein Geheimnis erst dann seinen Erben, wenn er den unvermeidlichen Tod nahen fühlt. Um bei der zufälligen Entdeckung eines solchen Orts nicht seine ganze Barschaft zu verlieren, verteilt er dieselbe in mehrere Verstecke, welche er von Zeit zu Zeit im geheimen aufsucht, um sich an dem Anblick seiner Reichtümer zu erlaben. Nicht selten kommt es vor, daß ein Lappe unerwartet stirbt, ohne seine Verstecke entdecken zu können, oder daß dieselben so ungenau beschrieben wurden, daß sie von seinen Verwandten nicht aufgefunden werden konnten. Zuweilen treten auch Naturereignisse ein, welche ein solches Versteck vernichten oder unzugänglich machen, und so kommt es, daß bedeutende Summen verloren gehen, von denen man nicht hoffen kann, daß sie jemals wieder aufgefunden werden. Die wilden Einöden Lapplands bilden eine riesige Sparbüchse, welche ganz bedeutende Prozente verschlingt.
    „Darf ich erfahren, wie viel Geld es ist?“ fragte ich den Alten.
    „Kwekte wuossah – zwei Beutel“, antwortete er.
    „Du hattest sie versteckt?“
    „Ja, Härra, du weist, daß kein Mensch wissen darf, wo die Taler liegen, der Bruder nicht, das Weib nicht und auch die Kinder nicht. Du weißt auch, daß ich auf dem Markt in Enontekis gewesen bin. Dort habe ich viel Felle, viel Käse und auch viele Handschuhe verkauft, welche meine Töchter gestrickt hatten. Ich tauschte mir ein, was ich brauchte, und hatte dann noch zwei Beutel mit blankem Silber übrig. Gestern nun, als die Rene gemolken wurden und also meine Leute verhindert waren, mir zu folgen, nahm ich meine Schuhe und ging hinauf zum Fjäll, um das Silber zu verstecken. Bei der Rückkehr erblickte ich einen Fremden, der durch die Felsen glitt. Ich verfolgte ihn, aber er entwich. Nun kehrte ich zu dem Versteck zurück, nahm das Geld wieder heraus und verbarg es an einem andern Ort. Aber dann nach Mitternacht, als wir den Bären verfolgten, sah ich den Fremden wieder. Ich dachte sogleich, daß er nach meinem Silber gesucht hätte und verfolgte ihn. Er verschwand. Nun suchte ich mein Versteck auf; das Silber war noch da; aber indem ich es betrachtete, erhielt ich einen Schlag. Es wurde mir sehr finster vor den Augen und ich stürzte nieder, doch schon nach einer Minute raffte ich mich wieder auf. Das Geld war mir entrissen, und den Dieb sah ich bereits fern von mir sehr schnell über den Lopme (Schnee) fliegen. Ich verfolgte ihn. Er versuchte, die andere Seite des Karr (Bergrücken) zu erreichen, und darum wandte ich mich nach dem Klufteis, um ihm den Weg abzuschneiden. Ich kenne dieses Eis, aber der Zorn trübte meine Augen; ich übersah eine Spalte und stürzte hinein – als ich wieder erwachte, lag ich in meiner Hütte und hatte Schnupftabak in der Nase. Der Dieb aber ist entkommen.“
    „Du hast ihn nicht erkannt?“
    „Nein. Er hatte sich hinter mich geschlichen, ohne daß ich ihn bemerkte. Er

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