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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nützt es, daß sie ihm nachgefolgt ist! Darfst du sie da eine Löwin nennen? Sie hätte ihr Kind wie eine Löwin verteidigen sollen! Ich schwöre es bei Allah und allen Kalifen, daß ich ihr, wenn ich sie finde –“
    „Halt, schwöre nicht!“
    Das sagte nicht der andere wieder, sondern der Ruf erscholl vom Eingang zum Nebenraum her, wo die Frau stand, die ich vorhin gesehen hatte. Nun folgte eine Szene, welche zu beschreiben sich die Feder sträubt. Man erlasse sie mir! Sie war in ihrer Mutterangst hierher gekommen, um den befreundeten Stamm um Hilfe zu bitten, und befand sich erst seit einigen Stunden hier, wo sie so unerwartet mit ihrem Mann zusammentraf. Dieser schäumte vor Wut, warf sie nieder, zerrte sie hin und her, trat sie mit Füßen und hätte sie erschossen, denn er riß die Pistole einigemal hervor, wenn er nicht von dem andern daran verhindert worden wäre. Endlich zog er sie an den Haaren aus dem Haus, schleuderte sie dort hin und brüllte laut dazu:
    „Enti talikah bit telateh!“
    Das heißt zu deutsch:
    „Du bist dreimal verstoßen“, und ist die gesetzlich vorgeschriebene Scheidungsformel. Sie war von diesem Augenblick an nicht mehr seine Frau.
    Ich schlich mich um das Haus, um nach ihr zu sehen, so gefährlich dies für mich war; da kam sie weinend um die Ecke. Sie erschrak, als sie mich sah.
    „Wirst du Zarka genannt?“ fragte ich leise.
    „Ja. Wer bist du?“ brachte sie mühsam hervor.
    „Dein Freund. Ich bringe dir Hilfe. Komm mit mir!“
    Ich nahm sie bei der Hand und führte sie fort. Sie folgte mir ohne Weigerung, mir, einem Fremden, von dem sie sich nicht berühren lassen durfte. Es war ihr ja nun alles gleich. Leise vor sich hinweinend und schluchzend ging sie eine halbe Stunde lang neben mir her, bis wir in das Wadi Maskat er Raml kamen. Da, wo die Gefährten hinter den Felsen steckten, war die zärtliche Stimme Omars zu hören, und eine andere, feinere, antwortete ihm mit einem zweimaligen ‚Zarka‘ darauf. Da stieß die Frau einen schrillen Schrei aus und stürzte vorwärts.
    Was soll ich sagen! Sträubte sich vorhin die Feder, mir zu gehorchen, so möchte ich jetzt wohl gar zu gern das unendliche Entzücken der Mutter schildern, vermag es aber nicht und schweige also wieder, freilich aus ganz anderem Grund.
    Der mit dieser Wendung zunächst höchst unzufriedene Omar warf mir zehn Fragen auf einmal vor, und die andern wollten ebenso Erklärung haben, aber es gab keine Zeit dazu, weil Abd el Birr, der Handhala, so rasch aufbrechen wollte. Sollte er uns nicht entgehen, so mußten wir eilen. Zarka wurde mit dem Kind so weit in das Wadi hineingeschafft, daß sie nicht hören konnte, was geschah; dort blieben zwei Haddedihn, die ich instruierte, bei ihr. Dann wurde mein dreißig Ellen langer, unzerreißbarer Lasso quer über den Weg gezogen; die Pferde sollten darüber stürzen, so daß uns der Fang sicherer und leichter war. Dann warteten wir.
    Es verging aber eine Viertelstunde, ehe wir den Hufschlag nahender Pferde hörten. Sie kamen trotz der Dunkelheit im scharfen Trab. Der Scheik fluchte, wetterte und trieb zur Eile an. Jetzt waren sie da. Ohne den Lasso wären sie in einigen Sekunden vorüber gewesen, wenn wir nicht hätten auf sie schießen wollen; so aber kam keiner vorbei; alle Pferde stürzten und die Reiter mit ihnen. Wir waren natürlich sofort über die letzteren her, ich über den Scheik, der sich durch seine Stimme kenntlich gemacht hatte. Er lag erst vor Schreck bewegungslos; dann wollte er sich wehren, wollte auf, konnte aber nicht und sank mit einem Schmerzensschrei wieder nieder. Er hatte das rechte Bein gebrochen. Sie wurden alle gebunden und nebeneinander niedergelegt; es fiel kein Wort dabei, und ich gebot auch bis zu meiner Rückkehr Schweigen. Dann nahm ich dem Scheik die beiden Pistolen aus seinem Gürtel und ging dem Dorf zu.
    Dort angekommen, schlich ich mich erst hinter den Häusern bis zu dem größten hin, welches, wie ich dann erfuhr, wirklich dem Schech el Beled gehörte, ging dann ganz offen nach der vorderen Seite desselben und trat ein. Der Schech saß rauchend ganz allein im großen Raum; er wollte die Erregung der letzten Stunde durch die Pfeife beruhigen. Als er mich sah, sprang er überrascht auf.
    „Kennst du diese Waffen?“ fragte ich, sie ihm vorhaltend.
    „Maschallah! Diese Pistolen des Scheiks der Malik Ben Handhala!“
    „Sie sind es. Er gab sie mir als Erkennungs- und Beglaubigungszeichen mit. Er ist nicht weit fortgekommen.

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