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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nächsten Ort zu überfallen; ich aber ging nicht darauf ein, weil vorauszusehen war, daß sie gerade jetzt sehr vorsichtig sein würden. Dieser nächste Ort, er Rakmatan, gehörte den Handhala, und ich wollte mich nicht zwischen zwei Feuer bringen, sondern den Überfall desselben erst jenseits desselben unternehmen. Man stimmte mir bei.
    Dieses Rakmatan liegt am oberen Ende des Wadi Falg und ist unter den Mohammedanern berühmt als der einstige Wohnort des Dichters Malek Ben er Reib el Mazini. Es war vorauszusehen, daß Abd el Birr nach dem Geschehenen Mawija nicht so schnell verlassen und dann in Rakmatan bei seinen Stammesgenossen bleiben werde. Wir waren erwischt worden, und nun glaubte er gewiß, daß wir nicht wiederkommen würden; wir hatten daher wohl bis morgen Zeit. Wir beeilten uns also gar nicht und machten einen Umweg, um ja nicht gesehen zu werden. Es dunkelte bereits, als wir jenseits Rakmatan auf der Pilgerstraße ankamen. Wir versteckten uns da hinter den Felsen des Wadi Maskat er Raml, hinter welchem die esch Schiha-Wüste beginnt.
    Omar hatte nur für seinen Knaben Zeit und Augen, und es war wirklich rührend, zu sehen und zu hören, wie zart er für ihn sorgte und in welch weichen Tönen er zu ihm sprach; eine Mutter hätte nicht lieber und aufmerksamer sein können. Das Kind wollte aber keinen Augenblick lang von ihm lassen.
    Es lag mir natürlich daran, zu erfahren, ob Abd el Birr schon in dem Ort angekommen oder wider alles Erwarten schon vorüber sei; darum beschloß ich, kundschaften zu gehen. Halef wollte mit, konnte aber nichts nutzen, sondern nur schaden. Den hellen Haïk, der mich leicht verraten konnte, ließ ich natürlich zurück.
    Ich hatte bei unserer Ankunft im Wadi Maskat er Raml das Dorf liegen sehen und schätzte die Zeit, es jetzt in der Dunkelheit zu erreichen, auf eine halbe Stunde. Als diese verflossen war, stand ich vor der ersten Hütte. Aus den Fensteröffnungen der Wohnungen glänzte der Schein der Lichter oder Sesamöllampen. Der Ort war in eine Krümmung des Wadi Falg geschmiegt, und wenn ich nicht gesehen werden wollte, mußte ich meine Beobachtungen im Rücken des Dorfes machen. Ich schlich mich von einer Wohnung zur andern, bis ich am oberen Ende angekommen war; dann kehrte ich wieder zurück, um meine Aufmerksamkeit auf ein Bauwerk zu richten, welches das größte war und also wohl dem reichsten Mann, wenn nicht dem Schech el Beled gehörte. Vor der Tür desselben waren, wie ich bemerkte, mehrere Pferde angebunden. Die hintere Wand hatte vier Fensteröffnungen, von denen drei erleuchtet waren. Ich schlich mich an die erste und sah hinein. Ich sah einen kleinen, ganz primitiv eingerichteten Raum, in welchem eine weibliche Gestalt unbeweglich auf einer Strohmatte saß. Sie schien nach dem Nebenraum zu lauschen, in welchem Stimmen zu hören waren. Diesen zweiten Raum konnte ich durch das nächste Fenster überblicken. Er war größer. Zwei Männer befanden sich darin. Der eine von ihnen ging in großer Erregung hin und her; es war der Scheik der Handhala.
    „Also mein Sohn, mein einziges Kind, mir in meinem Alter spät geboren, ist fort, geraubt von Humam Ben Dschihal, dem verfluchten Hadeschhund!“ rief er. „Ist er es wirklich gewesen? Wer hat ihn erkannt?“
    „Dein Weib; sie kennt ihn ja genau. Sie ist mit dem Kind auf dem Makbara (Kirchhof) gewesen, ganz allein, und da von ihm überfallen worden.“
    „Diese Verruchte, diese der Hölle Verfallene! Ich werde mit ihr abrechnen, bald, sehr bald! Denn ich werde sofort weiter reiten, um daheim meine Krieger zum Rachezug zu versammeln. Sobald unsere Pferde gefressen und sich ein wenig ausgeruht haben, geht es fort von hier. Wir werden das Wadi Bascham dieses Kinderräubers der Erde gleich machen. Er hat sich fürchterlich gerächt, wie er sich entsetzlicher gar nicht rächen konnte. Er kannte meine unendliche Liebe zu diesem Kind und hat es sicher unterwegs ermordet. Und dieses Weib, was tut sie jetzt? Sie wird daheim sitzen und an nichts anderes denken, als daß ihr das Trauerkleid gut zu Gesicht steht. Sie ist dem Tod verfallen. Meine erste Kugel gilt nicht dem Mörder meines Knaben, sondern ihr, das schwöre ich bei – – –“
    „Halt, schwöre nicht!“ unterbrach der Hausherr den Wütenden. „Dein Weib ist nicht daheim.“
    „Wo sonst?“
    „Sie ist dem Räuber nach wie eine Löwin, der man ihr Junges genommen hat.“
    „So hat er sie auch getötet, und so ist sie leider ihrer Strafe entgangen. Was

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