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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wille war, und zwar stets zu meinem Glück! Wie oft wurde ich aus einer mißlichen oder gar gefährlichen Lage durch einen ganz geringfügigen Umstand befreit oder errettet, den ein Anhänger der Zufallslehre geradezu für eine Unmöglichkeit erklären würde, der mir aber ein Wink von oben war, dem ich zu folgen hatte! Ein kurzes, schnell vorübergehendes Ereignis, welches ohne alle Bedeutung zu sein schien, eine rasche, impulsive Tat, scheinbar von nicht dem geringsten Wert, ein gelegentliches Wort, welches ich schon einige Augenblicke später vergessen hatte, trat plötzlich nach Jahren und in einem ganz andern, fernliegenden Land mit seinen Folgen bestimmend oder erlösend vor mich hin, so daß mir wie ein Lichtstrahl die Erkenntnis kam, daß die gerechte Vorsehung jede Tat und jedes Wort des Menschen verzeichnet und die belohnende oder bestrafende Wirkung desselben im geeigneten Augenblick eintreten läßt. Wie viele Taten würden nicht geschehen und wie viele Worte würden nicht gesprochen, wenn alle Menschen der Überzeugung wären, daß alles, was sie erleben, reden oder tun, nicht unter der Herrschaft des sogenannten Zufalls steht, sondern unter einem höheren, weisen Gesetz, welches ebenso die Sonnen am Firmament wie den Flug des kleinsten Käfers lenkt!
    Zufall oder Schickung? Auf diese Frage soll das, was ich jetzt erzählen will, die Antwort geben, daß alles, was man einen Zufall nennt, nicht Zufall, sondern eine Wirkung dieses Gesetzes ist.
    Ich war in der Nubischen Wüste gewesen und kehrte nach Kairo zurück, um zunächst, was mein Äußeres betraf, einen andern, neuen Menschen aus mir zu machen. Die Art, wie ich reise, bringt es mit sich, daß ich mich nicht mit großer Ausstattung und strotzendem Geldbeutel auf der großen, belebten Heerstraße bewege. Ich suche Gegenden auf, die fernab davon liegen, und da ist es mit den ‚Hilfsmitteln‘, selbst wenn man sie besitzt, sehr bald zu Ende; sie haben allen Wert verloren, und zur Geltung kommt allein nur die Person, also das, was man ist und was man kann.
    Infolgedessen befand ich mich bei meiner Rückkehr äußerlich in einem Zustand, den man im Volksmund mit den allerdings sehr unästhetischen Worten ‚zerrissen und zerlumpt‘ zu bezeichnen pflegt. Das darf ich aufrichtig gestehen, weil es für einen Mann, der sich so lange Zeit unter den Völkerschaften am obern Nil herumgetrieben hat, ganz unausbleiblich und also keine Schande ist. Ich freute mich darum auf meinen großen, vollen Koffer, dessen Inhalt mehr als hinreichend war, mich vollständig neu auszustatten. Ich hatte ihn Ben Musa Effendi, meinen Gastfreund, in Verwahrung gegeben, bei dem ich vor meinem Aufbruch nach Süden drei Wochen gewohnt hatte. Dieser Ben Musa Effendi war ein außerordentlich ehrlicher Mann, dem ich ein ganzes Vermögen hätte anvertrauen können, und so war ich nicht wenig überrascht, als ich seine Wohnung leer fand und von den Nachbarn erfuhr, daß er ganz plötzlich verschwunden sei und keinem Menschen gesagt habe, wohin er gehe. Zu dieser Überraschung gesellte sich noch die Betroffenheit, denn mein Koffer war ebenfalls mit ihm verschwunden.
    Ich stand da und sah sehr trüben Blickes an mir nieder. Wie sah mein Anzug aus! Und im Koffer lag ein vollständig neues Habit! Aber nicht bloß das, sondern es befanden sich darin auch meine Wertpapiere, die ich jetzt in bare Münze hatte verwandeln wollen. Sie repräsentierten zwar keine große Summe, denn ich bin all mein Lebtage kein mehrfacher Millionär gewesen, aber doch einen für meine Zwecke hinreichenden Betrag.
    Was nun tun? Zu dem Vertreter meiner Heimat gehen und Reisegeld leihen? Nein, das lag nicht in meiner Art. Hadschi Emir Kara Ben Nemsi ‚pumpt‘ sein Vaterland nicht an! Ben Musa Effendi ist ein ehrlicher Mann und muß wieder auf der Bildfläche erscheinen. Ich werde nach ihm suchen!
    Aber wie und wovon leben, bis ich ihn gefunden habe? Von meinem ‚Rettungsgeld‘ natürlich. Ich trage nämlich auf allen meinen Reisen einige eingenähte Goldfüchse bei mir, welche für unvorhergesehene Fälle meinen ‚eisernen Fonds‘, mein Rettungsgeld bilden, mein Derahim el Kefahle, wie der Araber sagt. Zehn Zwanzigmarkstücke, das reichte schon eine Weile. Freilich durfte ich mich da nicht im Hotel d'Orient einlogieren und mich auch noch nicht von meinem jetzigen Anzug trennen.
    Ich suchte mir zunächst ein billiges Quartier und fand es bei einem Pfeifenreiniger, welcher unverheiratet war und zwei kleine Räume

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