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Wesen!“
Zen hatte die Worte kaum gesagt, als er sie schon bereute. Warum konnte er sich nicht beherrschen? War es nötig, daß er das Mädchen warnte und seinen Verdacht preisgab?
„Kein menschliches Wesen? Was bin ich dann nach Ihrer Meinung?“ wiederholte sie.
Zen überging die Frage, als habe er sie nicht gehört. „Haben Sie auch keine Furcht vor dem Tode?“ fragte er statt dessen.
Wieder schüttelte sie den Kopf. „In diesem Krieg sind schon zuviel Menschen gestorben. Grauen im Übermaß verliert seine Drohung“, sagte sie einfach. Sie blickte zu ihm auf, und von ihren Augen ging eine seltsame Wirkung aus, als träfen elektrische Ströme Zens Haut. Mit Getöse raste in diesem Augenblick erneut ein schwerer Felsbrocken am Eingang der Höhle vorüber.
Zen zog das Zigarrettenpäckchen, bot es Nedra an, aber sie lehnte dankend ab. Ihr Gesicht wandte sich dem Eingang zu, als wieder ein Schrei von draußen erklang. Sie traf Anstalten, die Höhle zu verlassen, aber Zen hielt sie zurück.
„Warten Sie, bis Ruhe eingetreten ist! Oder haben Sie Lust, von einem Felsen erschlagen zu werden?“
Als er ihren Blick sah, bezweifelte er, ob sie seine Worte überhaupt verstanden hatte. „Sie halten mich für eines jener Weltraumwesen, nicht wahr?“ fragte sie.
„Wie kommen Sie darauf?“ entgegnete er und wich ihrem Blick aus.
„Ich dachte es nur. Es stimmt doch, nicht wahr?“
Zen zog an seiner Zigarette, ohne zu antworten. Er war Abwehroffizier und somit gewöhnt, Fragen zu stellen. Nedra hatte den Spieß umgekehrt und ihn in Verlegenheit gebracht. Der Verwundete draußen hörte auf zu schreien, das Schwanken der Felsen verlor sich, langsam schienen sich die Verhältnisse zu normalisieren.
„Jetzt möchte ich Ihnen eine Frage stellen“, sagte das Mädchen in die plötzliche Stille. „Sind Sie ein Mann aus dem Weltraum?“
Zen hustete. Die unerwartete Frage Nedras hatte ihn den Rauch tief in die Lungen einziehen lassen. „Wie, zum Teufel, kommen Sie auf diese Frage?“
„Ich weiß es nicht. Es interessiert mich eben. Habe ich recht?“
„Was wissen Sie denn von den Weltraumwesen?“
„Nicht mehr, als das, was man über sie erzählt. Daß sie die Rasse der Zukunft sind, die es übernehmen wird, die Welt zu neuer Höhe zu führen, nachdem alle Menschen in diesem Krieg umgekommen sind.“ Das Erstaunen in Nedras Zügen war unverkennbar. „Wollen Sie allen Ernstes behaupten, Sie hätten noch nie von diesen Dingen gehört?“
„Natürlich habe ich die Gerüchte vernommen“, erwiderte Zen achselzuckend. „Kleine und große Märchen, die für mich nur aus Lügen bestehen. Meine Meinung über diese Geschichten steht fest – unsere Gegner verbreiten sie systematisch, weil sie sich davon ein Erlahmen unserer Anstrengungen versprechen, diesen Krieg zu gewinnen. Propaganda, psychologische Kriegsführung, nichts weiter.“
„Sind Sie überzeugt davon?“ Nedras Stimme hatte einen erwartungsvollen Klang. „Ehrlich und wahrhaftig?“
„Ich glaube, was ich sehen und mit meinen Sinnen erfassen kann“, sagte Zen ungehalten. „Gerüchte bleiben Gerüchte, für mich zählt nur echtes Beweismaterial, und darauf mußte ich bisher verzichten.“ Er näherte sich dem Eingang der Höhle, zog aber den Kopf schnell zurück, als ein dichter Geröllstrom sich nach unten ergoß. „Es regnet immer noch Felsen“, knurrte er. „Bleiben wir also noch ein wenig hier. Was wissen Sie über die sogenannten Weltraumwesen, Nedra?“
„Nicht viel“, murmelte sie.
„Sie sind eine entzückende Lügnerin“, stellte Zen fest. „Leider ändert die Tatsache, daß Sie schön sind, nichts daran, daß Sie es mit der Wahrheit nicht allzu genau nehmen.“ Sein Blick überflog das Mädchen. Nedra war wirklich eine Schönheit mit ihren blauen Augen und dem bronzefarbenen Haar, aber ein Abwehroffizier hatte sich mit dieser Feststellung abzufinden und durfte sich nicht vom Wege abbringen lassen.
Die Stille wurde erneut von den abgerissenen Schreien eines Verwundeten belebt. Das Mädchen richtete sich auf, hob langsam den Kopf. Dann setzte sie sich auf den Eingang der Höhle zu in Bewegung. Zen griff wieder nach ihrem Arm, und sie blickte ihn verständnislos an.
„Bitte, lassen Sie mich gehen, Oberst“, flüsterte sie und deutete mit der freien Hand auf den Abhang, von dem die Schreie kamen. „Dieser Mann dort braucht meine Hilfe.“
„Sie werden von vielen anderen gebraucht“, sagte Zen. „Ich kann Sie nicht gehen
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