301 - Libretto des Todes
herauszuhören. So hatte er noch keinen anderen Truveer singen hören.
Den Kerl muss ich unbedingt kennen lernen...
Matt drang in den Wald vor. Er kämpfte sich durch Gestrüpp und Dickicht. Die Stimme wurde lauter. Gleich darauf öffnete sich der Wald zu einer kleinen grasbewachsenen Lichtung, auf der mehrere Baumstümpfe standen. Die schräg durch die Wipfel fallenden Sonnenstrahlen bildeten seltsame Muster auf dem Boden.
Und mitten auf der Lichtung stand tatsächlich der Truveer, von Fleggen umschwirrt, den rechten Fuß auf einen Baumstumpf gestellt, das Gesicht und den weit ausgestreckten linken Arm zum Himmel erhoben, während er in der rechten Hand ein aufgeschlagenes Buch vor sich hielt. Er sang dramatisch einen Schwarm Kolks an, der laut krächzend über der Lichtung kreiste.
Matt grinste breit. Ich würde auch protestieren, wenn jemand ungefragt auf meinem Grundstück rumbrüllt...
Er beschloss, sich nicht gleich zu erkennen zu geben, sondern noch ein paar Augenblicke zuzuhören und gleichzeitig die Umgebung zu beobachten. Er konnte sich kaum vorstellen, dass sich der Truveer alleine hier draußen aufhielt, zumal er keinerlei Waffe bei ihm sah. Gab es also eine heimliche Wache?
Der Truveer – ein mittelgroßer hagerer, langhaariger Mann in wadenlanger brauner Lederhose, blauem Stoffhemd und römischen Schnürsandalen –, unterbrach sich kurz, warf einen Blick in das Buch, murmelte etwas vor sich hin und schmetterte die Stelle erneut, vielleicht noch etwas lauter.
Wenn er so weitermacht, bringt er noch alle Tiere des Waldes gegen sich auf...
Matt hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als es ihm eiskalt über den Rücken lief. Er starrte auf eine schattige Stelle am gegenüberliegenden Waldrand, direkt hinter dem Sänger. Im Halbdämmer konnte er ganz deutlich drei mächtige Silhouetten ausmachen, so groß wie Rehe, aber äußerst schlank, jede mit zwei riesigen Hauern bewehrt.
Wisaauen!
Eine davon scharrte mit dem Vorderfuß, ein deutliches Zeichen, dass sie gleich loslegen würden. Wahrscheinlich grunzten sie auch, aber das war bei dem Gesang nicht zu hören.
Matt trat zwischen den Bäumen hervor. »Vorsicht!«, brüllte er und winkte mit beiden Armen.
Der Truveer verstummte sofort und schaute zu ihm herüber. Vom anderen Waldrand her quiekte es gefährlich. Erschrocken fuhr der Mann herum. Er ließ das Buch fallen und stieß ein noch höheres Quieken als die Sauen aus, als er sie auf sich zu galoppieren sah.
Dann warf er sich herum und rannte mit weit aufgerissenen Augen und kleinen trippelnden Schritten direkt auf Matt zu. Dabei ruderte er mit weit ausgestreckten Armen so unkoordiniert in der Luft herum, dass es Matt unter normalen Umständen zum Lachen gereizt hätte. Jetzt nicht.
»Verdammt, Mann, aus dem Weg!«, brüllte er.
Der Truveer kapierte nicht. Er schrie jetzt vor Angst und fixierte Matt mit starren Blicken. Der Mann aus der Vergangenheit fluchte und trat zwei Schritte zur Seite. Die erste Wisaau, ein riesiger schwarzer Keiler, war nur noch drei Meter hinter dem Truveer. Mit gesenktem Kopf raste er heran, bereit, das Opfer aus vollem Lauf aufzuspießen.
Matt richtete den Driller auf die Wisaau und drückte ohne zu zögern ab. Ein Explosivgeschoss, so groß wie eine Kugelschreiberspitze, raste aus dem Lauf der futuristisch gestylten Handfeuerwaffe. Es drang seitlich vorne in den Hals des Keilers und explodierte kurz nach dem Aufprall. Es regnete Blut, Fleischfetzen und Knochensplitter.
In diesem Moment geriet der Truveer ins Stolpern. Er knallte der Länge nach hin und blieb bewegungslos liegen. Das rettete ihm das Leben. Die beiden verbliebenen Wisaauen galoppierten über ihn hinweg auf Matt zu. Da Matt erst spät hatte schießen können, waren die Tiere bereits gefährlich nahe. Und relativ weit auseinander! Es gelang ihm zwar noch, auch die zweite Wisaau zu erlegen, doch als er den Driller herumschwenkte, war die dritte bereits heran.
Matt schaffte es gerade noch, einen Satz zur Seite zu machen und dem unterarmlangen Hauer zu entgehen, der knapp neben seiner Hüfte die Luft durchschnitt. Allerdings erwischte ihn das Tier mit der Schulter und rammte ihm grunzend die Beine weg.
Matt wirbelte durch die Luft und knallte unsanft auf die Hüfte. Für einen Moment bekam er keine Luft. Als er wieder handlungsfähig war, sah er, dass sich die Wisaau herumwarf, um erneut auf ihn zuzustürmen. Jetzt erst bemerkte er, dass er den Driller verloren hatte! Hektisch sah er sich um,
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