301 - Libretto des Todes
konnte ihn aber nirgends entdecken. Zwar steckte ein Kampfmesser in seinem Gürtel, aber es war illusorisch, im Nahkampf gegen eine solche Bestie zu bestehen; das wäre ihm nicht mal zu damaliger Zeit gegen einen normalen Keiler gelungen.
Tot stellen...
Matt besaß die Nerven, um bewegungslos zu verharren und flach zu atmen. Die Wisaau, die verheerend stank, schnüffelte an ihm herum. Fast hätte er die Kontrolle verloren, als er die riesige feuchte Schnauze und die Rüsselborsten, die so hart wie eine Drahtbürste waren, im Gesicht spürte. Das Schnaufen des Tieres kam ihm überlaut vor.
In diesem Moment stöhnte der Truveer. Sofort ließ die Wisaau von der scheinbar toten Beute ab und wandte sich der noch lebenden zu.
Das war Matts Chance! Während das Tier auf den Truveer zu trabte, sprang er auf und suchte erneut nach dem Driller, konnte ihn aber auch jetzt nicht entdecken. Die Wisaau hatte den Truveer fast erreicht, als Matt die Suche aufgab. Er rief laut und schwenkte die Arme, um das Tier wieder auf sich aufmerksam zu machen.
Es funktionierte. Die gereizte Wisaau machte kehrt, und Matt rannte auf den Waldrand zu. Zwischen den eng stehenden Bäumen hatte er leichte Bewegungsvorteile. Es gelang ihm, einen kleinen Vorsprung herauszuarbeiten, bevor er den Wald wieder verließ.
Vor sich sah er PROTO – und hatte eine Idee.
Er lief bis kurz vor den Radpanzer, stoppte dann und drehte sich. Die Wisaau raste heran, nahm ihn aufs Korn.
Im letzten Moment steppte Matt zur Seite. Das wütende Tier konnte nicht mehr stoppen und knallte mit voller Wucht gegen den Amphibienpanzer!
Im selben Moment quiekte es schrill, zuckte unkontrolliert und brach zusammen. Mit zitternden Flanken blieb es auf dem Boden liegen, einzelne Muskelgruppen zuckten weiter. Matt nutzte die Gelegenheit und tötete die Wisaau mit dem Messer.
Dann erst atmete er auf – und beglückwünschte sich zu der Maßnahme, PROTOs Außenhülle unter Strom zu setzen.
Vor drei Tagen war er bei seiner Rückkehr von der Jagd von einem Spikkar überrascht worden, der es sich unbemerkt auf dem Dach gemütlich gemacht und in der Sonne gedöst hatte – und ihn beim Einstieg sofort angriff. Ein tiefer Kratzer auf seinem linken Handrücken erinnerte Matt noch heute daran. Seitdem setzte er PROTOS Hülle bei jedem Verlassen mittels einer Tastatur neben der Schleuse unter Strom, um künftig vor solchen Überraschungen sicher zu sein.
Jetzt hatte ihnen diese Vorsicht ein üppiges Abendmahl beschert – ihm, Xij, und vielleicht auch dem Truveer.
***
Matt ging auf die Lichtung zurück, über die sich allmählich die Dämmerung senkte. Er fand den postapokalyptischen Sänger auf einem Baumstumpf sitzend. Der Mann betastete seinen Kopf und jammerte dabei vor sich hin. Als er Matt bemerkte, verstummte er. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Ah, da bist du ja, du großer starker Mann«, flötete er und erhob sich. »Ich glaube, du hast mir das Leben gerettet, nicht? Hast du die böse Bestie ganz alleine erlegt?«
Was bist denn du für einer...?
»Ja, habe ich. Wir sind erst mal sicher.« Matt suchte seinen Driller, fand ihn und ging dann zu dem Mann hinüber. Der roch nach Schweiß, einem süßlichen Parfüm und irgendeiner Creme. Tiefe Falten durchzogen sein sorgfältig glatt rasiertes Gesicht, das von den großen wulstigen Lippen dominiert wurde. Das schulterlange braune Haar war noch voll und dicht, obwohl der Mann sicher um die fünfzig Jahre alt sein mochte. »Ich heiße Maddrax«, stellte Matt sich unter seinem »Barbarennamen« vor.
»Gunnter ist mein Name. Sicher hast du schon von mir gehört.«
»Äh, nein. Sollte ich?«
Gunnter verzog enttäuscht das Gesicht. »Dann kommst du sicher von sehr weit her, denn in Barreut kennt jeder meinen Namen. Deswegen verzeihe ich dir, Maddrax. Sag, du hast nicht zufällig ein Riechfläschchen dabei? Die Aufregung... Ich glaube, mir wird gleich schlecht und ich kippe zum zweiten Mal um. Obwohl...« Er überlegte einen Moment. »Sag, was würdest du mit mir machen, Maddrax, wenn ich bewusstlos vor dir am Boden läge?«
»Dich mit einem Eimer eiskaltem Wasser wieder aufwecken.«
»Das glaube ich jetzt nicht, ich glaube es einfach nicht.« Gunnter zog die Nase hoch und betrachtete intensiv seine Fingernägel. »Ich dachte da eher an eine Mund-zu-Mund-Beatmung oder etwas in der Art. Na egal, nach der ganzen Aufregung und dem Singen habe ich mächtigen Hunger, mein Magen hängt ja schon fast in den Kniekehlen. Wie
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