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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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war höchstens drei Wegstunden entfernt.
    Nimuee machte sich auf den Weg. Ihre Knie waren so elend weich. Verwirrt blickte sie noch einmal zurück zu der Grube. Was für einen Sinn hatte diese Entführung gehabt? Wut auf die Entführer kochte in ihr hoch. Vor allem auf die Wakudamaske.
    ***
    Durch das Fenster des Turmzimmers sah Rulfan Meister Chans Sänfte und seine Männer im Wald verschwinden. Vorbei. Der blutige Spuk war vorbei. Die Gräber blieben und die Trauer. Und die Verwüstung und der Schmutz in der Burg.
    Myrial lag im Bett und säugte den Kleinen. »Du hast mich im Stich gelassen«, schluchzte sie. »Du bist ein miserabler Ehemann! Ich hasse dich so...!«
    Oben auf dem Wehrgang hatte er sie in die Arme geschlossen und geküsst. Seitdem beschimpfte sie ihn praktisch ununterbrochen. Rulfan konnte ihr schlecht widersprechen – sie hatte ja recht. Sein Gewissen plagte ihn mächtig.
    Sie nahm das Kind von der Brust. Es schlief und lächelte selig. »Komm zu mir«, schluchzte Myrial. »Komm endlich zu mir, du Scheißkerl...«
    Rulfan ging zum Bett, streckte sich neben ihr aus und schloss sie in die Arme. »Ich hasse dich...« Weinend griff sie in sein Haar und riss an seinem Schädel. »Ich hasse dich so...«
    »Es tut mir so leid, Myrial.«
    »Versprich mir, dass du mich nie wieder allein lässt«, schluchzte sie. »Mich nicht und Leonard Pellam nicht.«
    »Ich verspreche es«, sagte Rulfan und hätte sich im gleichen Moment am liebsten auf die Zunge gebissen.
    »Ich liebe dich so«, flüsterte Myrial. »Und jetzt küss mich endlich.«
    Eine Woche später hatten sie sämtliche Fahrzeuge und alles Material von der Küste nach Canduly Castle transportiert. Am Abend danach brüteten sie über Rulfans Plänen.
    Er hatte eine Zeichnung der Burg angefertigt. »Hier bei der Zugbrücke wird der Stollen entstehen, durch den wir das Geröll aus der Erde holen. Später bauen wir an dieser Stelle ein Schott und eine Schleuse. Das wird er Haupteingang zum Hort des Wissens.«
    Er deutete auf verschiedene Stellen zwischen Türmen und Gebäuden. »Hier bohren wir nach Erdwärme, hier wird der Schacht für den zentralen Lift liegen, und an dieser Stelle sehe ich einen Stahlkessel, in dem wir ein Trinkwasserreservoir anlegen.«
    Die halbe Nacht lang planten sie die unterirdische Stadt, das Hort des Wissens. »Lasst mich ein paar Tage verschnaufen«, sagte Sir Leonard irgendwann. »Dann werde ich mit einigen Getreuen nach England und Wales hinunter ziehen. Ich kenne ja alle ehemaligen Bunkerstädte. Ich bin sicher, dass ich etliche Verbündete für unser Projekt gewinnen werde.«
    Rulfan sah ihn an und lächelte. Es freute ihn, seinen Vater von »unserem Projekt« reden zu hören.
    »Ich werde mir erst einmal eine große Werkstatt in deiner Wahnsinnsburg einreichten.« Meinhart Steintrieb rieb sich die Hände. »Ich brenne drauf, mein Zeug auf Vordermann zu bringen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, Mann.«
    »Je früher du anfängst, umso besser.« Sorgenfalten türmten sich auf Rulfans Stirn. »Wer weiß – vielleicht gelingt es uns sogar, aus dem in Britana versammelten Wissen eine Waffe zu entwickeln, die wir eines hoffentlich noch fernen Tages gegen den Streiter einsetzen können.«
    ***
    Die Tür öffnete sich, ein lächelnder Mann in Gelb trat ein. »Der künftige Chefexekutor«, meldete er und verneigte sich. Er trat zur Seite und ließ einen kleinen, drahtigen Mann in den Raum.
    »Danke, Bruder Zing«, sagte Meister Chan. »Sie können sich zurückziehen. Ich rufe Sie, wenn ich Sie wieder brauche.« Der schlitzäugige Lächler verneigte sich aufs Neue, ging rückwärts in den Gang hinaus und zog die Tür zu.
    Meister Chan beobachtete Hoss durch das kleine Sichtgitter in der Trenntür. Ein wenig verloren stand der drahtige Exekutor vor der Sitzgruppe und wusste nicht, wohin mit sich. »Setz dich doch, Hoss«, sagte Chan.
    Hoss heftete seinen hellwachen Blick auf das feine Gitterrechteck in der Holzwand, hinter der Meister Chan saß, und ließ sich auf der Stuhlkante nieder.
    »Du weißt, warum Bruder Zing dich zu mir gebracht hat?«
    »Ja, Meister Chan.« Ein jungenhaftes Lächeln huschte über Hoss’ Züge. »Weil Sie mich zum neuen Chefexekutor ernennen wollen.«
    »Sehr richtig, Hoss. Doch zuvor will ich dir noch einmal danken. Du hast deine Aufgabe hervorragend erledigt, von Anfang an. Wie du ihn beobachtet und sein Vertrauen vertieft hast, wie du ihn manipuliert hast, und vor allem: wie du mir heimlich immer

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