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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ganz still da und sagte zunächst kein Wort. Dann legte er die Hände auf der Kante des Tisches zusammen und forderte sie in beinahe bittendem Ton auf:
    „Lies noch einmal, Mary!“
    Sie folgte seiner Aufforderung:
    „Tragt Euer Evangelium hinaus,
Doch ohne Kampf sei es der Welt beschieden,
Und seht Ihr irgendwo ein Gotteshaus,
So stehe es für Euch im Völkerfrieden!“
    Und wieder wurde es still. Mary sah, daß diese ihr vom Wind zugewehten Zeilen auf ihren Vater eine Wirkung ausübten, die sie wohl nicht erwartet hatte, und hütete sich, diese Wirkung zu unterbrechen. Und er saß mit gefalteten Händen da, ohne sich zu bewegen. Seine Augen sahen geradeaus wie in eine weite, nur ihm bekannte Ferne. Im Saal ging und kam man hin und her; Tassen und Teller klirrten, Messer und Löffel klapperten; es wurde viel und laut gesprochen, doch das alles schien ihn nicht zu stören. Er beachtete nicht, daß das Frühstück noch fast unberührt vor ihm stand, denn er hatte bisher weit mehr gesprochen als gegessen oder getrunken. Er hörte es auch gar nicht, daß der Kellner, an ihm vorüberstreichend, ihn nach etwaigen Wünschen fragte. Er schien, mit einem bezeichnenden Worte gesagt, geistig vollständig abwesend zu sein.
    War ich überrascht gewesen, das verlorengegangene Blatt in Marys Hand zu sehen, so war ich es nun fast noch mehr über den Eindruck, den es gerad auf den Mann machte, welcher die eigentliche Ursache war, daß ich es beschrieben hatte. Es war ganz selbstverständlich, daß ich schweigen, am allerwenigsten aber es zurückverlangen würde. Ich hatte ja nun seinen Inhalt wieder, den ich mir nicht einmal zu notieren brauchte, denn das zweimalige Vorlesen war mehr als hinreichend, ihn mir so einzuprägen, daß ich ihn nicht wieder vergessen konnte.
    Da endlich regte sich der Amerikaner wieder. Er sah sich im Saal um, als müsse er sich besinnen, wo er sei; dann fragte er in einem für ihn gewiß ungewöhnlich weichen Ton:
    „Und dies hat dir der Wind gebracht, wirklich nur der Wind?“
    „Ja, mein lieber, lieber Vater!“
    Ich sah, daß ihre Augen feucht zu werden begannen.
    „Ich denke“, fuhr er fort, „an den hundertunddritten Psalm und an das erste Kapitel des Buches an die Hebräer; es kann auch der hundertundvierte Psalm sein; ich weiß es nicht genau. Dort steht geschrieben: ‚Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen.‘ Steht kein Name auf dem Blatt? Keine Seitenzahl? Gar nichts, woraus man schließen könnte, wem oder wohin es gehört?“
    „Gar nichts, Vater.“
    „So dürfen wir es also als unser Eigentum betrachten und wollen es aufheben für – für spätere Zeit, wo wir es vielleicht brauchen.“
    „Willst du es haben?“
    „Nein; behalte es! Und wenn – wenn – – – wenn ich wieder einmal lieblos von denen spreche, die ich Heiden nenne, so sage mir die beiden letzten Zeilen: Und seht Ihr irgendwo ein Gotteshaus, so stehe es für Euch im Völkerfrieden. Ich denke, das wird gut für etwas sein, was in mir ist, was siegen will und doch nicht siegen kann.“
    Es trat wieder eine Pause ein, nach welcher Mary die Vermutung aussprach:
    „Der Verfasser ist wahrscheinlich ein Deutscher. Und weil ich das Blatt innerhalb der Vorstufen zum Hotel fand, so nahm ich an, daß er hier wohnt und es im Kommen oder Gehen draußen verloren hat. Ich erkundigte mich darum vorhin bei meiner Rückkehr im Büro, ob vielleicht ein deutscher Dichter hier logiere, und habe eine verneinende Antwort erhalten.“
    „Mag der, welcher es geschrieben hat, sein, wer und was er sei, er wird den kleinen Verlust entweder aus dem Konzept oder aus dem Gedächtnis leicht wieder ersetzen können. Er bekommt das Blatt nicht wieder, und selbst wenn er mir bekannt wäre, würde ich ihn bitten, es behalten zu dürfen. Ob die Zeilen als Gedicht gut sind, das weiß ich nicht; ich bin kein Kritiker; aber der Inhalt ist für mich von Wert, und im Ausdruck liegt etwas, dem ich nicht widerstehen kann. Ich bin so alt geworden und habe doch nie und nicht gewußt, wie sich ein schönes, liebes, reines, klares Wort so schnell und tief ins Herz hinunterheimeln kann! Und eins noch ist's, was ich dir sagen muß, mein Kind.“
    Aber er sagte es noch nicht, sondern er legte, das Gesicht seiner Tochter zugewendet, den Ellbogen auf den Tisch, den Kopf in die Hand, sah sie liebevoll prüfend an, machte dann die Augen zu, als ob er sich etwas zu vergegenwärtigen habe, und sprach erst hierauf weiter:
    „Du bist

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