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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er, ob ein Geistlicher hier sei, und ich mußte ihm den Reverend Heartman holen. Wie dieser Mann auf ihn wirkte, kann ich kaum beschreiben. Diese innere und äußere Ähnlichkeit mit dem malaiischen Priester brachte erst Schreck, dann Staunen und endlich ruhige Freude. Das Gespräch kam auch wieder auf das Paradies, und Waller bat, es sehen zu dürfen. Fang hatte nichts dagegen. So brachten wir ihn hinunter in die Halle, wo er sich noch befindet. Er sagt, er fühle sich ganz eigenartig wohl und könne sich von dem Anblick Christi nicht trennen, wie Yin ihn aufgefaßt und dargestellt habe.“
    Er sprach sehr schnell, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit. Bald deutsch, bald englisch oder chinesisch. Das war das Glück! Indem er zum zweiten Male errötete, fuhr er fort:
    „Er war so glücklich, so froh, so hoffnungsvoll, so lieb! Vor uns das ergreifende Bild vom Paradies! Dieser Erlöser! Diese ‚Shen‘! Und da begann er, zu uns zu sprechen, in gesenktem Ton, ruhig, warm, wenn auch noch nicht ganz klar. Es war zum Herzbrechen, und doch so gut, so gut. Wir weinten, erst Mary, dann auch ich, endlich alle drei. Wie kam es doch? Wir sanken uns in die Arme. Er küßte erst sie, dann mich, und gab uns seinen Segen. Hierauf schloß er die Augen, lächelte wie ein Seliger und schlief ein – – – im Paradies! Durften wir ihn stören? Nein. Er liegt noch dort! Fang und Mary sind bei ihm. Ich aber wurde abberufen, geholt. Es sei jemand da, der mich sprechen wolle. Könnt Ihr erraten, wer es war?“
    „Robert Waller, genannt Dilke?“
    „Ja, dieser. Und das ist das dritte, was ich Euch zu sagen habe. Ich mußte ihn abweisen, natürlich! Dieser Mann ist im höchsten Grade gefährlich; er darf um keinen Preis mit seinem Onkel zusammen! Ich war sehr kurz mit ihm, konnte ihn also nicht prüfen; aber mir scheint, er gehöre in die Beobachtungsstation eines Irrenhauses. Habt Ihr den Sejjid gefragt?“
    „Ja; ich erfuhr folgendes.“
    Ich erzählte ihm, was wir heut früh im Einkehrhaus von Omar erfahren hatten. Da nickte er sehr ernst und sagte:
    „Also wirklich – – –! Der Letzte seines Stammes – – – die Quersumme seiner Ahnen – – –! Drücken wir es einstweilen in dieser Weise aus; es ist aber noch viel anders! Wißt ihr, wovor wir stehen? Vor einem geistigen Geburts- und einem geistigen Todesfall. Sorgen wir dafür, daß die Geburt nicht auch eine Leiche ergibt!“
    Das, was er mit diesen Worten meinte, war mir keineswegs unverständlich; darum warnte ich ihn vor Dilke, der noch anwesend sei, aber von dem Sejjid beobachtet werde.
    „Beobachtet? Nur beobachtet? Das genügt mir nicht!“ erklärte er. „Ich werde sofort das Nötige selbst veranstalten. Bitte, habt die Güte, an meiner Stelle nach dem Paradies zu gehen und Fang zu veranlassen, daß Waller entfernt werde, aber so leise, daß er nicht erwacht. Der Ho-Schang hat gebeten, es mit seinen Priestern noch vor dem Abendessen sehen zu dürfen.“
    Er ging, um seine Absicht auszuführen, und ich begab mich nach dem Gemäldesaal, den ich von einigen Bogenlampen erleuchtet fand, fast mehr als tageshell. Waller schlief nicht mehr; er war soeben aufgewacht. Fang war nicht da; er hatte sich entfernt, und ich konnte mich meines Auftrags an ihn also nicht entledigen.
    Wie lieb der Kranke mich empfing! Ich mußte mich zu ihm setzen und ihm meine Hand geben. Er hielt sie lange, lange fest, ohne etwas zu sagen. Endlich mußte ich aber doch das Schweigen brechen und den beiden sagen, daß Leute kommen würden, und wer sie seien.
    „Ein Ho-Schang?“ fragte er. „Mit seinen Unterpriestern? Also Heiden – – – Heiden!“
    „Darf ich dich nach deinem Zimmer tragen lassen, Vater?“ fragte Mary.
    „Nein“, antwortete er. „Ich bleibe! Diese Heiden sollen mich hier auf meinem Posten finden! Ich kenne meine Pflicht!“
    „Um Gottes Willen!“ rief sie erschrocken aus. „Vater, laß dich erbitten, mir – – –“
    „Sei still, mein Kind; sei ruhig!“ unterbrach er sie. „Du hast nichts zu befürchten. Und wenn du glaubst, ich sei meiner Sache nicht gewiß, so erinnere mich nur schnell an deine Mutter! Das, was sie mir auf Erden war, werde mir zum guten Geist, der mich schützt!“
    Da kam Fang wieder. Er hatte nichts dagegen, daß Waller blieb. Und wenn ich die hellen Augen und das stille, glückliche Lächeln des Patienten sah, dachte auch ich, keine Sorge haben zu dürfen. Er lag, halb aufrecht sitzend, in einem leichten Feldbett

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