Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
mit den Händen gestikulierte, also zu sprechen schien. Hören konnte ich es nicht. Die Stelle, an welcher ich mich befand, lag höher als diejenige, an welcher die Beduinen ihre Beratung hielten. Die Zuhörer hatten die Dschema nicht ganz eingeschlossen, sondern sie bildeten, was mir außerordentlich lieb war, des abfallenden Terrains wegen nur einen Halbkreis, welcher nach mir zu offenstand; das machte es mir möglich, sofort ganz an die Beratenden heranzutreten.
    Man wurde auf mich aufmerksam. Als ich näher kam, hörte ich den verwunderten Ruf: „Ein Reiter ohne Sattel!“ Diejenigen, welche von mir abgewendet saßen, drehten sich nach mir um. Man zeigte Neugierde, doch fiel es keinem ein, seinen Platz zu verlassen.
    Die Angelegenheit stand genauso, wie ich vermutet hatte, denn den Scheik el Beled von el Kafr ausgenommen, hatten alle Beisitzer der Dschema ihre Messer vor sich bis an die Hefte in die Erde gesteckt, ein für den Kenner sicheres Zeichen, daß es sich um das Leben des Angeschuldigten handelte. Ich tat, als ob es mir sehr gleichgültig sei, ritt aber fast bis ganz zu ihm heran, sprang ab, legte die Hände, doch nur für einen kurzen Augenblick, um nicht als gewöhnlicher Mann zu gelten, auf die Brust und grüßte die am Boden sitzenden Personen.
    Es war leicht zu erraten, welcher von ihnen der fremde Scheik war, denn er hatte das Hamaïl, um welches es sich handelte, vor sich liegen. Sein Anzug befand sich, wie auch diejenigen aller seiner Leute, in einem Zustand, den Omar sehr richtig als ‚schmutzig und zerrissen‘ bezeichnet hatte, doch war seinem ernsten, sonnenverbrannten Gesicht die Gewohnheit des Befehlens deutlich aufgeprägt. Er nickte stolz mit dem Kopf und ließ nur ein kurzes „Sallam!“ als Antwort hören. Wenn ich mir diesen Mangel an Höflichkeit gefallen ließ, so hatte ich von vornherein verspielt. Er mußte mich für einen Mann halten, der sich das nicht bieten zu lassen brauchte, darum sagte ich in strengem Ton:
    „Du bleibst sitzen, indem du mit mir sprichst, und siehst doch, daß ich stehe? Ich vermute, daß ihr in Mekka gewesen seid, über welchem das Andenken des Propheten glänzt. Hast du etwa dort deine Höflichkeit im Sand von Chandamah vergraben?“
    „Wo liegt Chandamah?“ fragte er schnell und erstaunt.
    „Geh zwischen dem Suq el Lei und dem Schib el Maulid, wo das Geburtshaus des Propheten steht, vor die Stadt hinaus, so siehst du es zur linken Seite des Dschebel Qubehs liegen.“
    Da stand er auf, und alle andern mit ihm, kreuzte die Hände auf der Brust, verbeugte sich tief und sagte:
    „Verzeih! Ich wußte nicht, daß du ein Kenner der Heiligtümer bist. Du wirst mir erlauben, deinen Namen zu erfahren!“
    „Allerdings, doch nicht eher, als bis ich dich nach dem deinigen gefragt habe. Vorher aber will ich das Wichtigere wissen. Sind wir bei den Pyramiden von Gizeh, oder befinden wir uns im Wadi Fatimeh, wo das Gesetz der Wüste gilt? Ich sehe eine Dschema versammelt und Messer in der Erde stecken. Wer hat hier zu richten, und wer soll gerichtet werden?“
    Ich sah ihm so scharf und fest ins Auge, daß mir sein Blick nicht ausweichen konnte. Die Erwähnung von Örtlichkeiten, welche nur dem Kenner von Mekka geläufig sind, tat das Ihrige. Er antwortete in nicht ganz sicherem Ton:
    „Es ist eine Beleidigung geschehen, welche nur mit Blut gesühnt werden kann. Ich will es dir erzählen.“
    Nichts konnte mir willkommener sein als diese seine Bereitwilligkeit, denn sie sagte mir, daß ich ihm imponiert hatte. Er berichtete mir, natürlich in seiner mohammedanisch gefärbten Weise, was geschehen war. Als er geendet hatte, sagte ich:
    „Der Koran ist dir jedenfalls bekannt. Nach ihm und der Sunna muß Recht gesprochen werden. Aber weißt du auch, was Khalil Ibn Ishak, der berühmte Erklärer derselben, über die Pflichten der Dschema sagt?“
    „Nein; das weiß ich nicht“, sah er sich gezwungen, einzugestehen.
    „Nicht? Aber ihr habt bedacht, daß dieser Fremde die Heiligkeit des Hamaïl nicht kennt und dich vielleicht gar nicht hat beleidigen wollen? Habt ihr ihm erlaubt, sich zu verteidigen?“
    „Er hat es durch den Mund seines Dragoman (Dolmetscher) getan.“
    „Ist dieser Dragoman gerecht und vorsichtig gewesen? Ich werde das sogleich erfahren.“
    Der Dolmetscher stand höchst verlegen da. Er hörte mich arabisch sprechen und wußte nun also, daß ich alles verstanden hatte, was auf dem Dschebel Mokattam von ihm über mich geäußert worden war. Ob

Weitere Kostenlose Bücher