Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
die Zehen einzusetzen sind. Diese Bedingung wurde auch erfüllt. Es gab also bis zum Austrag der Wette ein zweimaliges Hinauf- und wieder Herunterklettern. Das dauerte natürlich lange, weil jede Bewegung äußerst vorsichtig unternommen werden mußte, und während dieser Zeit geschah unten etwas, was wir nicht beachteten, weil unsere ganze Aufmerksamkeit nach oben gerichtet war.“
    „Ah, ich errate! Der Amerikaner und das Hamaïl!“
    „Ja, so ist es, Sihdi! Die vier Personen hatten den Granittempel verlassen und waren dann auch nach der Sphinx gegangen, obgleich sie sahen, daß deren Körper von Beduinen geradezu wimmelte. Doch hatte dieser Umstand sie wenigstens abgehalten, sie auch zu besteigen; sie waren vielmehr den schmalen Pfad, welcher von ihrem westlichen Teil nach dem östlichen führt, hinabgegangen und hatten dort bei dem Vorderfuß das Hamaïl liegen sehen. Anstatt es nun gar nicht anzurühren, weil sie doch keine Mohammedaner waren, und sich auch gewiß denken konnten, daß es einem oben auf der Sphinx befindlichen Pilger gehören werde, hatten sie es sogar aus dem Futteral gezogen, geöffnet und durchblättert. Inzwischen hatte der fremde Scheik, der ein sehr kühner Kletterer ist, seine Wette gewonnen, und wir stiegen von der Sphinx herunter, was, wie du weißt, an ihrem Hinterkörper geschieht. Dort trafen wir mit dem wieder nach hier gekommenen Amerikaner zusammen. Als der Scheik sein Hamaïl in den Händen dieses Mannes sah, war er zunächst so erschrocken, daß er kaum sprechen konnte; bald aber verwandelte sich der Schreck in Zorn. Er riß es ihm aus der Hand und fragte, ob er im Menahouse wohne, wo man Wurst und Schinken esse. Als der Gefragte mit einem Ja antwortete, mußte die Heiligkeit des Hamaïl für vernichtet gelten. Du kannst dir nun die Wut des Scheichs denken, welcher den Amerikaner am liebsten vernichtet hätte. Dieser war aber nicht etwa so klug, zu schweigen, sondern er verteidigte sich und nannte das Hamaïl ein Lügenbuch.“
    „Er kann aber doch nicht arabisch sprechen!“
    „Der Dolmetscher war bei ihm, den du auf dem Dschebel Mokattam mit ihm und mir gesehen hast. Er ist vom Hotel weg zu ihm gefahren, um ihn abzuholen und mitzunehmen.“
    „Und dieser Mensch war so unvorsichtig, das Wort Lügenbuch zu übersetzen, ohne ein anderes, weniger beleidigendes an seine Stelle zu nehmen?“
    „O, er hat noch ganz anderes übersetzt! Ich kann dir nicht alles so ausführlich erzählen, wie es geschehen ist, denn ich habe schon jetzt zuviel Zeit versäumt und will dir nur noch sagen, daß der Amerikaner es in seinem Zorn gewagt hat, dem Scheik das Hamaïl wieder zu entreißen und unter schlimmen Ausdrücken, welche auch übersetzt worden sind, ihm vor die Füße zu werfen.“
    „Unmöglich!“
    „Es ist wahr. Ich stand dabei und habe es selbst auch gesehen. Der Scheik riß das Messer heraus, um ihn zu erstechen; die Tochter wollte sich dazwischen werfen; der junge Chinese riß sie zurück und hat den Stich in den Arm bekommen. Der fremde Scheik wollte wieder stechen, und seine Leute griffen auch nach ihren Messern. Es wären wenigstens drei Menschenleben zugrunde gegangen, wenn nicht der Scheik el Beled (Dorfschulze) von el Kafr eingeschritten wäre. Diesem ist von der Regierung die Aufsicht über das Gebiet der Pyramiden übertragen worden, und er mußte sich sagen, daß die Ermordung von Christen, die überdies noch Ausländer sind, für ihn und die Bewohner seines Dorfes von sehr schlimmen Folgen sein werde. Aber es kostete ihn sehr viel Überredung, bis die Fremden ihre Messer wieder einsteckten, doch verlangten sie Sühne, und zwar blutige Sühne, weil eine solche Behandlung eines Hamaïl ein größeres Verbrechen ist, als selbst ein zehnfacher Mord sein würde. Diese Sühne soll auch sofort und ohne Zeitverlust gegeben werden, und darum drangen sie auf das Zusammentreten einer Dschema (Gerichtsversammlung), welche den Fall ohne Zögern zu besprechen und das Urteil zu fällen habe.“
    „Sind die Besitzer dieser Dschema bereits gewählt?“
    „Nein. Es werden lauter Fremde sein, und von den Hiesigen darf ihr nur der Scheik el Beled beitreten. Dieser hat einen seiner Leute heimlich nach Kairo um Hilfe geschickt. Bis diese kommt, will er versuchen, die Verhandlung hinauszuziehen; aber ich glaube nicht, daß ihm dies gelingen wird.“
    „Ich auch nicht. Die Fremden scheinen den Fall nach dem Gesetz der Wüste behandeln und von der hiesigen Polizei nichts wissen zu wollen.

Weitere Kostenlose Bücher