31 - Und Friede auf Erden
Ja, es kann zwischen dieser und ihnen sehr leicht zum Kampf und Blutvergießen kommen!“
„Daran dachte ich auch, und darum bin ich zu dir geeilt, um dich zu holen. Du wirst diese Sache auf gutem Wege zu enden wissen!“
„Ich? Wie kommst du zu dieser Idee?“
„Ich habe dir ja schon gesagt, daß mir der alte Ibrahim Effendi mehr von dir erzählt hat, als du denkst. Ich bitte dich um Hilfe. Wirst du sie den Chinesen verweigern?“
„Du sprichst nur von ihnen, obgleich ihnen direkt keine Gefahr droht. Für den Amerikaner bittest du nicht?“
„Nein! Er mag bekommen, was er verdient hat! Ich habe ihn auf dem Mokattam verschont; hier aber darf er keine Schonung finden!“
Da legte ich ihm die Hand auf die Schulter, sah ihm ernst in die Augen und sagte langsam, indem ich jedes Wort betonte:
„Du bist Sejjid Omar, aber du bist kein guter Mensch! Und wer kein guter Mensch ist, der kann auch kein guter Anhänger des Propheten sein! Ich wollte dich jetzt mitnehmen, weil du mir helfen solltest, dem Amerikaner beizustehen. Du kannst aber hierbleiben!“
Ich tat, als ob ich gehen wolle; da rief er aus:
„Sihdi, nimm mich mit! Ich will dir beweisen, daß die Güte eines Moslem größer sein kann als sein Wunsch nach Rache. Brauchen wir Waffen?“
„Nein, sondern nur Klugheit und Entschlossenheit. Unsere Pferde sind nicht mehr gesattelt?“
„Nein. Reiten wir denn?“
„Ja, doch haben wir keine Zeit, vorher zu satteln. Ich kenne die Gesetze der Wüste sehr genau. Diese fremden Beduinen werden sich von dem Scheik el Beled nichts vormachen lassen. Sie sind auf den Zusammentritt der Dschema bloß deshalb eingegangen, weil sie derartige Szenen lieben; das Urteil aber wird auf den Tod des Amerikaners lauten, und sie werden es ausführen, ohne sich um die Meinung irgendeines anderen Menschen, sei es auch der Khedive von Ägypten, zu kümmern. Wo wird diese Versammlung abgehalten?“
„Ein wenig oberhalb der Sphinx.“
„So wird der Missionar diese Stelle nicht lebend verlassen, wenn wir ihn nicht herausholen. Da er zu Fuß nicht entkommen kann, sondern von ihnen eingeholt würde, reiten wir. Merke dir diese Tür, welche hinaus in das Freie führt! Sie ist von Wichtigkeit. Ich lasse sie um eine Lücke offen, und der Schlüssel bleibt von innen stecken.“
„Warum, Sihdi?“
„Das erfährst du unterwegs. Jetzt komm!“
Ich muß bemerken, daß wir sehr schnell sprachen und daß diese Unterredung also nicht halb so lange währte, als wenn man sie vom Papier liest. Ein Hamaïl ist ein in der Stadt Mekka geschriebener und unter gewissen Feierlichkeiten erworbener Koran, der nur an solche Pilger verkauft wird, welche nachweislich allen Verpflichtungen getreulich nachgekommen sind. Es gilt als das köstlichste Andenken an die Pilgerschaft, wird für heilig gehalten und darf nie mit irgend etwas in Berührung kommen, was dieser Heiligkeit nicht angemessen ist. Mr. Waller hatte nach den Begriffen derer, in deren Händen er sich befand, unbedingt ein todeswürdiges Verbrechen begangen. Wenn man hierzu die unter diesen Leuten gewöhnliche Christenverachtung und die durch die Pilgerfahrt bis zur Brutalität gesteigerte religiöse Aufregung rechnet, so kann man sich die Gefahr wohl denken, in welcher der Genannte gegenwärtig schwebte. Eine Dschema über einen Christen, nebst dem an ihm vollstreckten Todesurteil, ein besserer Schluß konnte nach Ansicht dieser Fanatiker ihrer Reise nach Mekka ja gar nicht gegeben werden!
Wir eilten nach dem Stall hinüber, zogen die Pferde heraus, stiegen auf und ritten den Hohlweg nach den Pyramiden hinauf. Ich hielt es nicht für geraten, im Hotel zu sagen, warum wir diesen Ritt unternahmen. Je weniger Aufsehen erregt wurde, desto größer war für mich die Hoffnung des Gelingens.
Als wir oben bei der Cheopspyramide ankamen, war dort kein Mensch zu sehen, denn jedermann war nach der Sphinx geeilt, um bei der Dschema anwesend zu sein. Das war mir lieb, weil ich nun, ohne gesehen zu werden und Verdacht zu erregen, Omar unterweisen konnte, was er zu tun hatte.
„Hier trennen wir uns“, sagte ich. „Wenn der Amerikaner reiten kann, ist er zu retten, sonst wahrscheinlich nicht. Ich reite hier links an den kleinen Pyramiden nach der Sphinx hinunter, dränge mich an die Dschema heran und suche, mit dem Pferd möglichst nahe an den Amerikaner heranzukommen. Dann steige ich ab und spreche mit den Beduinen.“
„Aber du wagst dein Leben!“ fiel Omar ein.
„Nein. Da ich heut nicht
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