31 - Und Friede auf Erden
er mich wohl auch jetzt noch für einen Franzosen hielt?
„Imschi, ia Budala – Pack dich, Dummkopf!“ fuhr ich ihn an, denn ich wollte ihn nicht hören lassen, was ich dem Amerikaner zu sagen hatte.
Er zog sich erschrocken bis unter die Zuschauer zurück, und nun wandte ich mich an Waller, und zwar in deutscher Sprache:
„Sagen Sie schnell: Können Sie reiten?“
„Ja“, antwortete er, indem er mich verwundert ansah.
„Galopp und ohne Sattel, so daß Sie ja nicht etwa herabfallen?“
„Ich sitze fest. Sie reden deutsch? Good luck! Warum fragen Sie?“
„Es handelt sich um Ihr Leben. Die Situation ist ernster, als Sie meinen, und nur die Flucht kann Sie retten. Wenn Sie das vielleicht bezweifeln, so fehlt mir die Zeit, es Ihnen zu erklären.“
„Ich glaube es“, versicherte er. „Das sind ja ganz desparate Menschen hier!“
„So passen Sie auf, was ich Ihnen sage! Ich werde jetzt zu diesen Leuten weitersprechen. Sobald Sie sehen, daß ihre Aufmerksamkeit ganz auf mich gerichtet ist, springen Sie auf mein Pferd und reiten so schnell, wie Sie können, fort – – –“
„Man wird mich verfolgen“, fiel er ein.
„Allerdings; aber die paar Esel und Kamele, welche hier stehen, haben Sie nicht zu fürchten. Da oben steht die zweite Pyramide. An ihrer linken, hinteren Ecke treffen Sie auf meinen Diener. Er erwartet Sie dort und wird Sie so führen, daß, wenn Sie ihn nur erst erreicht haben, die Gefahr für Sie vorüber ist. Werden Sie tun, was ich Ihnen vorgeschlagen habe?“
„Natürlich! Aber ich habe nicht nur an mich, sondern auch an meine Tochter zu denken. Was soll –“
„Ihr wird nichts geschehen“, unterbrach ich ihn; „ich gebe Ihnen mein Wort. Also, tun Sie, was ich gesagt habe, aber plötzlich, schnell, und ohne daß Sie es etwa durch Blicke oder Bewegungen vorher verraten!“
Ich hatte während dieser kurzen Unterweisung den fremden Scheik im Auge behalten und bemerkte zu meiner Beruhigung an ihm kein Zeichen des Mißtrauens. Als ich mich ihm jetzt wieder zuwendete, sagte er:
„Es ist ganz überflüssig, daß du diesen Christen fragst, denn er kann dir nichts anderes erzählen, als was ich dir schon gesagt habe. Der Scheik el Beled will nicht, daß er getötet werde, aber wir sind freie Beduinen, die sich um die Gesetze des Beherrschers von Ägypten und um die Ansichten fremder Konsuln nicht zu kümmern brauchen, und werden also nur nach den Vorschriften handeln, welche jeder Bekenner des Islam zu befolgen hat. Du hast unsere Beratung unterbrochen; wir setzen sie jetzt fort und werden schnell ein Ende machen. Habe die Güte, dich zu setzen, damit auch wir uns wieder setzen können!“
Diese Aufforderung hatte ich nicht erwartet. Sie bewies mir, daß er mich nicht nur unbedingt für einen Mohammedaner, sondern auch für eine Person hielt, nach deren Stand und Namen er nicht wieder fragen könne, ohne gegen die ihr schuldige Achtung zu verstoßen.
Der Araber setzt sich in Gegenwart eines Fremden nicht so kurz und einfach nieder, wie wir es tun, sondern es geschieht mit einer Umständlichkeit, welche um so größer ist und um so mehr Zeit in Anspruch nimmt, je mehr er diesen Fremden ehren und sich selbst als wohlerzogenen Mann betrachtet sehen will. Da vorhin alle seine an der Dschema beteiligten Stammesgenossen mit ihm aufgestanden waren und nun auch wieder mit ihm Platz zu nehmen hatten, so gab es eine Menge von Verbeugungen, welche ich zu wiederholen hatte, worauf abermals Verneigungen folgten, welche jeder gegen seine Nachbarn richtete und mit einigen höflichen Worten begleitete. Das lenkte die Augen von dem Amerikaner in der Weise ab, daß er schon jetzt den richtigen Augenblick für gekommen hielt, den ihm gegebenen Rat zu befolgen.
Ich kehrte ihm den Rücken zu und hütete mich, mich nach ihm umzudrehen, als mir ein plötzliches Stampfen der Pferdehufe sagte, was geschah; aber der Scheik sprang wieder auf und mit ihm alle, welche sich vorher unter so viel Umständen in die Stellung niedergelassen hatten, welche der Orientale ‚das Ruhen der Glieder‘ nennt. Waller war auf das Pferd gesprungen, welches sich nur einige Augenblicke sträubte, seiner Führung zu gehorchen, und dann mit ihm davonschoß, nach aufwärts, der zweiten Pyramide zu. Nun stand ich natürlich auch rasch auf und sah zu meiner Genugtuung, daß er allerdings kein schlechter Reiter war.
Zunächst gab es eine allgemeine Anstrengung, so laut zu schreien, wie es jedem möglich war; dann
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