314 - Exodus
Laut hervor. Langsam, als koste ihn die Bewegung unendlich viel Kraft, öffnete er die Augen. Er sah Matt an. »K...kalt«, brachte er hervor. »Was... habt ihr... getan?«
»Wir mussten dich auf Eis legen, Grao«, erklärte Matt. »Erinnerst du dich? Der Streiter hatte von deinem Verstand Besitz ergriffen. Es war die einzige Chance, dich von ihm zu trennen.«
Einen Moment schwieg Grao, dann kam ein klares »Ja« über seine Lippen. »Ich... verstehe. Danke.«
Es war für Matt ungewöhnlich, einen Dank aus Graos Mund zu hören. Bestärkt von dieser positiven Reaktion preschte er weiter vor. »Grao, wir müssen Thgáan zum Mond schicken, damit wir einen Zielpunkt haben, wenn wir auf den Streiter feuern.«
»Ihr wollt... schießen?«, kam es abgehackt.
»Mit dem Flächenräumer, ja«, antwortete Matt. »Wir glauben, das ist unsere einzige Chance, ihn aufzuhalten. Aber der Streiter muss ein klares Ziel abgeben. Das hätten wir, wenn ihn Thgáan zum Mond lockt. Denkst du, dass er auf den Rochen reagiert?«
Graos Körper krampfte in den Seilen. Seine Lider flatterten. Auch Matt versteifte. Versuchte der Streiter erneut, mental über den Daa’muren herzufallen? Xij hob einen Behälter mit frischem Schnee vom Boden auf und sah ihn fragend an. Matt hob die freie Hand, er schüttelte leicht den Kopf. Sie wartete mit unsicherem Gesichtsausdruck.
Grao öffnete die Augen wieder und suchte Matts Blick. »Du... bist du gekommen, damit ich Thgáan losschicke? Zum... zum Mond?«
Matt nickte hoffnungsvoll. Grao verstand, worum es ging. Das erleichterte die Sache. »Glaubst du, du kannst es ihm befehlen? Vermutlich wäre es eine Reise ohne Wiederkehr.«
Grao blinzelte. Seine Stimme klang gequält. »Ich... versuche es. Aber... wir müssen uns beeilen. Der Streiter kann sich jederzeit wieder auf mich konzentrieren... und ich bin zu schwach... um Widerstand zu leisten.«
»Kannst du Thgáan von hier aus erreichen?«
Grao vertiefte sich kurz in sich selbst. »Ja. Er empfängt meinen Ruf – dank des Kristallsplitters in meiner Stirn. Ich versuche es.«
Matt nickte, auch wenn er nicht wusste, von welchem Kristall Grao sprach. Verbarg er den Splitter eines Daa’murenkristalls in seinen Stirnwülsten, mit dem er Kontakt zu dem Lesh’iye im Orbit aufnehmen konnte? Möglich wäre es: Die Daa’muren waren Gestaltwandler und konnten mit ihrer formbaren Körpermasse auch Gegenstände umschließen.
Eine Weile lag Grao still, nur in seinem Gesicht arbeitete es. »Er versteht und ist einverstanden«, sagte er dann leise. »Thgáan wird meiner Bitte folgen, auch wenn es sein Ende bedeutet.«
Matts Hoffnung wuchs. Das klang beinahe zu gut, um wahr zu sein. Falls Thgáan rechtzeitig beim Mond ankam. Und wenn ihm der Streiter dann jene Aufmerksamkeit widmete, auf die sie bauten. Für wirklichen Optimismus war es noch zu früh.
Grao atmete vor ihm hörbar auf. Matt begegnete seinem Blick.
»Thgáan ist unterwegs«, flüsterte Grao so schwach, wie Matt ihn nie zuvor gehört hatte. »Und nun schickt mich wieder schlafen. Bevor der Streiter merkt, dass ich wach bin. Noch einmal kann ich seine Attacke nicht ertragen.«
Matt schauderte, nicht nur wegen der Kälte in der Schleuse. Sein ehemaliger Erzfeind bat ihm darum, ihn ins Koma zu schicken. Das war... bizarr. Aber was war in diesen Tagen, da sich das Schicksal der Erde erfüllte, noch normal?
***
Sonnensystem, im Anflug auf die Erde
Die Blaukugel kam näher. Immer langsamer wurde sein Flug, immer größer die Gier. Er versuchte erneut, den Wandler mental zu erfassen. Dabei stieß er auf eine Signatur, die zwar eindeutig auf den Wandler hinwies, aber völlig anderes aufgebaut war. Ein Dienerwesen wie die Daa’muren, deren Hirne so leicht zerbrachen unter seinem Zugriff, und die ihn noch nicht auf die Spur der Beute gebracht hatten, aber anders in seinem Denken. Ein Gehirn, ja, aber nicht organisch wie die der Daa’muren, sondern aus... reinem Kohlenstoff?
Und noch etwas war bemerkenswert: Was immer es war, das er da geortet hatte – es entfernte sich von der Erde und kam auf ihn zu! Warum? Wollte es Kontakt zu ihm aufnehmen? Besaß es Wissen um den Wandler?
Noch einmal versuchte der Streiter das fremdartige, künstlich anmutende Gehirn zu scannen, und scheiterte erneut. Das erweckte sein Interesse. Kein Zweifel, dass er der Kreatur, was immer sie darstellte, ihre Geheimnisse entreißen würde. Es war nur eine Frage der Zeit...
***
Südpol, zwei Tage später
Der
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