319 - Paris - verbotene Stadt
überragte, und musterte ihn aus braunen und irgendwie traurigen Augen. »Dylan aus New York?« Dylan nickte. »Che merda«, murmelte der Italiener und schüttelte dabei den Kopf wie einer, der ein für alle Mal resigniert hatte. »Che merda, vattene. Jetzt habe ich mia bellissima endgültig verloren.« Er boxte Dylan schmerzhaft gegen die Brust, grinste wehmütig und sagte: »Nenn mich Rudy, du facia di culo.«
Die Beleidigungen, die Dylans Translator ihm übersetzte, machten ihn wütend. Doch bevor er aufbrausen konnte, wandte sich der fette Hüne schon ab und baute sich vor Matt Drax auf. »Gerade haben meine Leute eine Nachricht von Jeanne aufgeschnappt. Wir wissen also Bescheid über euch. Sie ist übrigens schon hierher unterwegs.«
Auf seine Geste hin gab man ihnen Wasser zu trinken. Der Dicke namens Rudy berichtete von noch nicht lange zurückliegenden Kämpfen um das chinesische Hauptquartier im Elysee-Palast. »Hat nicht geklappt.« Wieder das traurige Kopfschütteln. »Sono incazzato, wir haben versagt.« Matt erfuhr, dass in vielen Häusern des Viertels kleine Rebellengruppen lagen und nach verlorener Schlacht auf neue Befehle warteten.
Als er sein Leid lange und ausführlich genug geklagt hatte, winkte Rudolpho sie hinter sich her aus dem Gewölbekeller. »Wir bringen euch nach oben. Jeanne muss bald hier sein. Ist es wahr, dass ihr zwischen uns und den Chinesen vermitteln sollt?«
»Im Auftrag der Generalsekretärin, das ist richtig«, bestätigte Matt. »Aber keiner von uns traut dieser Frau über den Weg. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr auf das Angebot eingehen werdet.«
Rudy musterte sie der Reihe nach aus skeptisch zusammengekniffenen Augen. »Bleibt mal stehen.«
Inzwischen waren sie wieder oben auf der Straße angekommen. Der italienische Rebellenoberst aktivierte seinen Mobilport, holte ein kleines lupenförmiges Gerät aus einer seiner vielen Manteltaschen und strich damit über Matts Nacken. »Ich dachte es mir – man hat euch was eingepflanzt!«
»Das ist ein Übersetzungschip«, erklärte Matt. »Damit es keine Sprachbarrieren gibt.« In der holografischen Darstellung über Rudolphos Mobilport konnte er vor dem Hintergrund seiner Halswirbelsäule einen winzigen kreisrunden Fleck erkennen – den Chip mit dem Translator.
»Und darin integriert eine Art Peilsender«, ergänzte Rudy. Er murmelte ein paar Befehle in seinen Mobilportrechner. »Ich habe jetzt ein Störfeld etabliert, das die Signale blockt, aber das kommt leider etwas spät. Ihr solltet die Gelbärsche auf die Spur unserer Kommandeurin führen, weiter nichts. Wir müssen Jeanne warnen.« Rudy setzte einen Funkruf ab, gab Jeanne Bescheid und rief zugleich ausgeruhte, bewaffnete Einheiten herbei. »Wahrscheinlich haben die Chinesen längst Jäger hinter euch hergeschickt.«
Matt fluchte still in sich hinein. Warum hatte er nicht an diese Möglichkeit gedacht? Weil alles drunter und drüber ging, seit sie diese Parallelwelt betreten hatten? Das ließ er als Entschuldigung nicht gelten.
»He, was ist das?« Matt blickte auf und sah, dass Rudy gerade Dylans Nacken scannte. »Dein Translatorchip ist dreimal so groß wie der deiner Kumpels. Hast du eine Erklärung dafür?« Bevor Dylan antworten konnte, zückte Rudy bereits einen kleinen Laserschneider. »Besser, wir holen das Ding gleich raus, was meint ihr?«
»Da kommt Jeanne!«, rief da ein Kämpfer mit einem roten Haarkamm und zeigte zum Ende der Straße. Nacheinander landeten dort zwei schwere Panzergleiter mit chinesischen Militäremblemen, keine hundert Meter entfernt. Schotts öffneten sich, Dutzende Kämpfer und Kämpferinnen sprangen heraus.
Dylan hielt den Atem an, als er sie sah. »Jeanne...« Flankiert von zwei jungen bewaffneten Burschen in grauen Mänteln erschien sie im Schott des hinteren Panzergleiters. »Jeanne!«, rief Dylan und rannte los.
***
Das Generationenraumschiff war so gewaltig, dass der ehemalige Biggest Daddy Silvester Smythe es gar nicht mit einem einzigen Blick erfassen konnte. Es hatte die Kreiselform eines Ferngleiters, war aber von deutlich größeren Ausmaßen. Gut dreihundert Metern mochte der äquatoriale Durchmesser betragen, und in der Vertikalen maß es von einem säulenartigen Pol zum anderen bestimmt siebzig Meter. Die bläuliche Oberfläche war übersät von Antennen, Türmchen und regelmäßig angeordneten, wabenartigen Ausstülpungen.
Hier, in einer gigantischen Werft unter dem Flugfeld des Flughafens Orly,
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