32 - Der Blaurote Methusalem
Doch nicht etwa gar –?“
„Aus der Heimat meines Herrn?“
„Ja, daher kommen wir.“
„Und ist dieser junge Herr vielleicht ein Neffe meines Herrn?“
Er deutete auf Richard.
„Ja, das ist er. Er heißt Richard Stein.“
„Welch eine Überraschung! Meine Herren, ich begrüße Sie auf das herzlichste. Sie können sich denken, daß Sie hoch willkommen sein werden!“
„Das hoffen wir allerdings!“
„Ja, ich kann Ihnen versichern, daß er Sie mit offenen Armen aufnehmen wird.“ Er schüttelte ihnen die Hände und fuhr dann fort: „Aber wie ist es Ihnen möglich gewesen, in dieser Kleidung bis hierher zu kommen?“
„Warum sollte das nicht möglich sein?“
„Sie müssen ungeheures Aufsehen erregt haben. Ihre Mützen fallen ja schon in der Heimat auf, um wieviel mehr also hier!“
„Nun, man hat uns allerdings mit großer Aufmerksamkeit betrachtet. Es ist uns das zuweilen lästig geworden, aber wirkliche Unannehmlichkeiten oder gar Schaden haben wir davon nicht gehabt.“
„Das wundert mich! Dieser Herr hat ja sogar ein Fagott mit!“
„Ja, dat habe ich mit!“ nickte der Gottfried. „Und warum sollte ich es nicht mitnehmen? Es ist mich ans Herz jewachsen, denn es stammt von einem Jevatter meines Urjroßvaters her und hat sich so nach und nach von Kind auf Kindeskind jeerbt. Es ist ein Universalstück. Wenn ich den Knauf oben abschraube und die Löcher zuhalte, wozu jrad zwölf Fingerspitzen jehören, so kann ich es als Blasrohr benutzen. Ich kann mir mit ihm jegen Räuber und sonstige Onkels verteidigen, indem ich sie anfagotte und, wenn sie nicht sofort ausreißen, ihnen dat Instrument um die Köpfe schlage. Es ist mich stets treu jewesen, hat mir nie beleidigt und jekränkt und soll mir auch fernerhin durch dat Leben begleiten, bis ik mir zu meinen Vätern versammle und ihm dann auch die Luft ausjeht.“
„Es scheint, daß Sie eine lustige Gesellschaft sind?“ lachte van Berken.
„Ja, dat sind wir! Und warum sollten wir es nicht sein? Wir haben ein jutes Jewissen, und wir haben Jeld, heidenmäßig viel Jeld, dat heißt, nicht ich, sondern unser Methusalem. Und sodann –“
„Methusalem?“ unterbrach ihn der Belgier erstaunt.
„Ja. Wir haben uns Ihnen noch jar nicht vorjestellt. Ich bin nämlich der Jottfried von Bouillon, welcher damals den Ungläubigen so viel zu schaffen jemacht hat.“
„Zur Zeit der Kreuzzüge?“
„Ja. Wann denn sonst! Und dieser Herr ist derjenige Methusalem, welcher schon im Alten Testament sich eine ehrenvolle Erwähnung zujezogen hat. Zwar ist er seitdem noch älter jeworden, aber seine Jeisteskräfte scheinen nicht darunter jelitten zu haben. Er ist ein juter, lieber – – –“
„Schweig!“ fiel Degenfeld ihm in die Rede. „Ich werde mich selbst vorstellen, denn aus deinem Gefasel wird niemand klug. Übrigens sind die Chinesen uns vorangeritten, und wir müssen sie einholen. Sie wollten doch von hier auch nach Ho-tsing-ting, Herr van Berken?“
„Das war meine Absicht“, antwortete der Gefragte.
„So kommen Sie! Ich werde Sie unterwegs von allem Nötigen unterrichten.“
Der T'eu war mit seinen Leuten langsam weitergeritten, wohl um bei der Begrüßung nicht zu stören. Die andern hatten bisher beim Einkehrhaus gehalten; jetzt ritten sie schnell weiter. Dabei erklärte der Methusalem dem Ingenieur die Gründe und den Verlauf der Reise bis zur gegenwärtigen Stunde. Als er geendet hatte, rief der letztere aus: „Das ist ja ein wahrer Roman, über den man ein Buch schreiben könnte! Und, nehmen Sie es mir nicht übel, Sie alle sind ganz sonderbare Menschen!“
„Pst! Das Wort ‚sonderbar‘ ist bei uns verboten. Es enthält eine große Beleidigung. Sie haben es aber gut gemeint, und so will ich Sie nicht auf Schläger anrennen. Ja, ein wenig sonderbar mögen wir sein, aber doch sehr gute Kerls, denen Sie wohl den Gefallen tun werden, einstweilen zu verschweigen, wer sie sind und was sie hier wollen?“
„Natürlich! Ich werde nichts verraten. Aber nehmen Sie sich in acht, daß der Onkel nichts errät! Er ist ein halber Yankee geworden, ein Pfiffikus, welcher den Menschen schnell durchschaut.“
„Wir werden vorsichtig sein. Aber, sagen Sie, bereitet es ihm denn keine Schwierigkeiten, hier mit den Chinesen zu verkehren?“
„Früher hat es ganz bedeutende gegeben; jetzt sind sie überwunden, und zwar zumeist mit Hilfe des Bettlerkönigs, welcher einen Einfluß besitzt, von dem Sie keine Ahnung haben, obgleich Sei an
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