32 - Der Blaurote Methusalem
oder Petroleumgefäßen begegneten den Reisenden. Einzelne Arbeiter mit geschwärzten Gesichtern kamen vorüber, und in der Luft machte sich jener nicht sehr angenehme Duft bemerkbar, welcher in der Nähe von Petroleumwerken unausbleiblich ist.
„Dat riekt goed“, sagte der Mijnheer; „dat heb ik gaarne; dat is zeer gezond voor de borst en de long – Das riecht gut; das habe ich gern; das ist sehr gesund für die Brust und die Lunge.“
Er hatte sich einmal in diese Gegend verliebt, und nun gefiel ihm alles, was dieselbe bot.
„Ja“, nickte Gottfried zustimmend. „Der Petroleumgeruch soll ein ausgezeichnetes Mittel gegen die Verzehrung sein. Wäre ich kränklich und von schwacher Leibesgestalt, so würde ich hier in China bleiben.“
„Ja, gewestelijk! Ik, ben zwek, en ik blijf daarom hier.“
„Daran tun Sie sehr recht, denn bei dieser gesunden Luft braucht man weder Tee noch Wörterbuch. Sie werden sich hier sehr schnell erholen.“
Man ritt jetzt durch ein Dorf, den letzten Ort vor Ho-tsing-ting. Am Einkehrhause stieg soeben ein Reiter auf sein Pferd. Er war ein junger Mann von vielleicht dreißig Jahren und vollständig chinesisch gekleidet; doch trug er keinen Zopf.
„Holla, Monsieur van Berken, treffen wir Sie hier? Reiten Sie heim?“ rief ihm Liang-ssi in deutscher Sprache zu.
Der Mann hatte sich nicht umgeblickt und also die Reiter nicht gesehen. Jetzt wendete er ihnen das Gesicht zu. Als sein Auge auf Liang-ssi und den Bettlerkönig fiel, leuchteten seine intelligenten Züge freundlich auf; er lenkte sein Pferd zu ihnen hin, reichte dem ersteren die Hand, verbeugte sich vor dem letzteren und sagte, doch in chinesischer Sprache: „Das ist eine Überraschung! Endlich, endlich kehren Sie zurück, lieber Liang-ssi! Wir glaubten, es sei Ihnen ein Unglück begegnet, da Sie so viel länger fortblieben, als vereinbart war.“
„Da haben Sie sich auch nicht getäuscht.“
„Wirklich? Was ist geschehen?“
„Ich geriet unter die Piraten.“
„Alle Wetter! Das müssen Sie erzählen. Wie haben Sie sich wieder losgemacht?“
„Mir wäre das unmöglich gewesen. Ich habe meine Befreiung diesen fremden Herren zu verdanken, welche Herrn Stein kennenlernen wollen, vier Englishmen und ein Holländer, Mijnheer van Aardappelenbosch, welcher außerordentlich erfreut war, als er von mir erfuhr, daß er in Ihnen hier einen Herrn aus Belgien sehen werde.“
„Wie? Sie sind ein Niederländer, Mijnheer?“ fragte der Ingenieur erstaunt, indem er sich der deutschen Sprache bediente, da er wußte, daß Liang-ssi derselben mächtig war.
„Ja, ik ben een Nederlander“, antwortete der Dicke. „En gij, wat zijd gij?“
„Ich bin ein Belgier, aus Louvain gebürtig.“
„Louvain, dat is Löwen! Zijd gij de machinist, de mechaniseer von Mijnheer Stein?“
„Ja, ich bin der Maschinist, der Mechaniker dieses Herrn.“
„Dat is goed! Dat is zeer fraai! Spreekt gij ook hollandsch – Das ist gut! Das ist sehr schon! Sprechen Sie auch holländisch?“
„Ja.“
„Zoo moeten wij hollandsch spreken!“
„Sehr gern! Aber die anderen Herren würden uns nicht verstehen. Warten wir also, bis wir allein sind! Ich freue mich sehr, mich wieder einmal dieser Sprache bedienen zu können.“
„Ik ook. Wij zullen zeer goed spreken. Hoe is dat eten in Ho-tsing-ting – Ich auch. Wir werden sehr gut sprechen. Wie ist das Essen in Ho-tsing-ting?“
„Das Essen?“ antwortete der Belgier, einigermaßen erstaunt über die so unvermittelte Erkundigung. „Ich kann es nur loben. Wir speisen nach chinesischer und auch nach unsrer heimatlichen Küche.“
„Dat is zeer goed van dezen oom Daniel – Das ist sehr gut von diesem Onkel Daniel!“
„Sie nennen ihn Ohm, also Onkel? Sie wissen auch seinen Vornamen? Wie kommen Sie dazu, ihn Onkel zu heißen?“
„Dewijl – aangezien – naardien – – – weil – in Hinsicht, daß – indem – – –“ stotterte der Dicke verlegen, da er im Begriff gestanden hatte, das zu verraten, was einstweilen noch Geheimnis bleiben sollte.
„Ich will es Ihnen sagen“, kam ihm der Methusalem in deutscher Sprache zu Hilfe. „Wir wollten eigentlich noch nicht darüber sprechen; aber Sie werden uns nicht verraten, und vielleicht bedürfen wir auch Ihrer Hilfe. Wir sind nämlich keine Engländer, sondern Deutsche.“
„Deutsche, ah! Doch nicht etwa gar – – –?“
Er musterte die studentisch Angezogenen mit unsicherem Blick.
„Nun, was meinen Sie?
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