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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hundertfünfzig bezahlen.“
    „Ah! Und Sie haben nur hundert gegeben! Sie haben ihnen lumpige dreißig Pfennig abgezogen? War das eines Mandarins, der Sie doch sein wollten, würdig?“
    „Etwa nicht?“
    „Nein. Ein General geizt nicht mit fünfzig Li. Durch diese übel angebrachte Sparsamkeit haben Sie verraten, daß Sie weder Chinese noch Mandarin sind. Hätte man Sie für einen solchen Beamten gehalten, so hätte man es sicherlich nicht gewagt, Sie Sänfte wandeln zu lassen. Dringen Sie nun auf die Bestrafung dieser Leute, so wird das für Sie jedenfalls fatale Ereignis noch bekannter, als es jetzt ist; man wird Sie behördlicherseits auffordern, sich als Generalmajor zu legitimieren, und da Sie das nicht können, so dürften Sie in eine Lage kommen, die ich wenigstens mir nicht wünschen mag.“
    Turnerstick fuhr sich mit beiden Händen hinter die Ohren, um sich da zu kratzen.
    „Sapperlot!“ brummte er. „Daran habe ich nicht gedacht. Soll ich etwa als Angeklagter vor diesen Tsching-Tschang-Tschongs stehen? Dazu habe ich freilich keine Lust. Lieber will ich die Halunken laufen lassen.“
    „Das ist es eben, was ich Ihnen raten will. Sie meinten, es schicke sich nicht für uns, nach dem Hotel zu gehen. Sie sind dennoch nicht nur gegangen, sondern gelaufen. Sie sprachen davon, daß man mich nicht mit der nötigen Hochachtung behandeln werde. Welche Hochachtung hat man denn Ihnen erwiesen? Ich empfehle Ihnen, sich ferner lieber auf meinen Rat als auf Ihre Eingebungen zu verlassen.“
    „Ja, nun können Sie wohl dicke tun! Aber es soll mir so etwas gewiß nicht wieder passieren!“
    „Dasselbe sagten Sie, als Sie von dem Geldwechsler geprellt worden waren!“
    „Hm, ja! Es ist kein angenehmes Tsching-tsching, mit welchem mich das Reich der Mitte begrüßt, aber ich werde den ‚Söhnen des Himmels‘ schon noch die Ehrerbietung abzwingen, auf welche ein Mann von meinen Sprachkenntnissen Anspruch hat. Als guter Diplomat will ich auf die Verfolgung der Kulis verzichten. Aber wehe dem Chinesen, dem es einfallen sollte, sich fernerhin einen ähnlichen Spaß mit mir zu erlauben! Ich würde ihn an seinem eigenen Zopf aufhängen! Also diese Angelegenheit ist erledigt. Was tun wir jetzt?“
    „Das, wozu mein Hund uns das Beispiel gibt: Wir trinken eins.“

VIERTES KAPITEL
    Mijnheer Willem van Aardappelenbosch
    Das Zimmer, welches auch als Speisesaal benutzt zu werden schien, war ganz nach europäischer Art mit Tischen und Stühlen möbliert. Der Neufundländer war gleich nach seinem Eintritt nach einem der Tische gegangen und auf einen Stuhl gestiegen; das Glas hatte er vor sich hingesetzt. Da saß er nun, mit dem Tornister auf dem Rücken, sah unverwandt in das leere Bierseidel und ließ dabei ein ungeduldiges Knurren hören. Er war vom ‚Geldbriefträger von Ninive‘ her gewöhnt, daß das Glas sofort gefüllt werde.
    Der Methusalem erklärte den Polizisten, daß man ihrer Hilfe nicht bedürfe, worauf sie sich entfernten. Dann nahmen die vier Reisenden an dem Tisch Platz, den der Hund für sie eingenommen hatte. Degenfeld erkundigte sich, ob man Bier bekommen könne, und erhielt eine bejahende Antwort.
    „So bringen Sie uns vier gute Schlucke!“ befahl er. „Wir haben Durst.“
    Die Kellner rannten alle von dannen, um dieser Weisung Gehorsam zu leisten. Nur der Wirt blieb zurück. Er postierte sich in ehrerbietiger Entfernung und verwandte kein Auge von den vier Leuten, deren Herkommen und Lebensstellung selbst ihm ein Rätsel war.
    Da trat ein neuer Gast herein, dessen Person ganz geeignet war, die Blicke der Anwesenden auf sich zu ziehen.
    Der Mann war nicht hoch, aber so dick, daß er wohl seit Jahren seine eigenen Füße nicht hatte sehen können. Sein Körper war ein ungeheurer Fleischklumpen zu nennen, welcher sich nur langsam fortbewegen zu können schien. Das glatt rasierte, runde Vollmondgesicht glänzte in dunkler Röte. Ebenso auffällig wie seine Gestalt war seine Kleidung. Er trug Hose, Weste und Jacke von feinem, weißem Linnen. Die letztere war so kurz, daß die gewaltige Halbkugel des Bauches zur vollsten Geltung kam. Die Füße steckten in niedrigen chinesischen Schuhen mit vier Zoll hohen Filzsohlen. Um den Bauch – denn Taille konnte man unmöglich sagen, und von Hüften war auch keine Rede – trug er eine rotseidene Schärpe, aus welcher der eingelegte, kostbare Griff eines malaiischen Kris hervorblickte. Der Schädel bildete eine einzige große, haarlose Platte, welche kaum halb

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