32 - Der Blaurote Methusalem
Wasser läuft. Der Mann verlangte pro Person nur einen Dollar bis Kanton. Auf dem Dampfer hätten wir das Vierfache zahlen müssen.“
„So segeln wir. Speisung ist nicht dabei?“
„Nein. Man hat hier eben für alles zu sorgen, auch für die Betten.“
„Brauche ich nicht. Schlafe so, wie ich es finde. Soll ich, wenn ich nach China will, etwa vorher zweihundert böhmische Gänse und ebensoviele Gänseriche rupfen und monatelang Federn schleißen, um dann hier von Gänseleberpastete nur träumen zu können, ohne sie wirklich verspeisen zu können. Das – – –“
„Oh!“ unterbrach ihn der Holländer, indem er seufzend die Hände auf die Gegend seines Magens legte. „Een knusperene gebraden gans of eend is klein, maar goed – eine knusperige gebratene Gans oder Ente ist zwar klein, aber gut!“
„Da haben Sie recht!“ stimmte der Methusalem bei. „Leider haben wir es jetzt mit einer Dschunke, nicht aber mit einer gebratenen Martinsgans zu tun. Die Schui-heu ist das einzige Schiff, welches morgen aufwärts geht. Es fragt sich, ob wir es benutzen wollen. Der Superkargo gefiel mir nicht, aber ich füge mich den andern Stimmen.“
„Wir fahren“, sagte der Kapitän. „Hoffentlich ist Gottfried nicht dagegen?“
„Ich bin dabei“, meinte der Genannte. „Warum sollen wir hier hocken bleiben? Je eher wir abjondeln, desto eher werfen wir um, und dat ist doch auch eine jewisse Art von Vergnüjen.“
„Ja, Onkel Methusalem“, bat Richard. „Wollen hier nicht unsre Zeit verschwenden. Ich möchte gern sobald wie möglich am Ziel sein.“
„Gut, so werde ich nachher gehen, um die Passage festzumachen und Lebensmittel einzukaufen, mit denen wir bis Kanton reichen.“
„Das ist meine Sache“, fiel Turnerstick ein. „Sie sind ja hier noch meine Gäste, und ich habe noch siebzehnhundert Li, ein wahres Vermögen für die hiesige Gegend.“
Der Methusalem lachte heimlich in sich hinein und antwortete: „Wenn Sie darauf bestehen, so müssen wir uns freilich fügen.“
„Natürlich stehe ich fest auf meinem Willen.“
„Ohne Rücktritt?“
„Ohne zurückzutreten. Den Anfang will ich jetzt machen. Also wir logieren bis morgen hier im Hotel?“
„Ja, denn es ist das einzige anständige. Die andern Gasthäuser sind nur Spelunken.“
„Gut, es wird hier geblieben! Und damit der Wirt sogleich bemerkt, daß er feine Gäste hat, will ich jetzt das Bier bezahlen. Wir haben dreißig Flaschen.“
Auf den Tisch klopfend und sich nach dem Wirt umdrehend, rief er: „Heda, Hoteliering, ich will bezahleng. Was kostang dreißing Flaschong?“
Der Wirt kam langsam herbei. Er hatte Turnerstick nicht verstanden, verbeugte sich tief und fragte: „What bid you, Sir – was befehlen Sie, Sir?“
„Bezahleng!“
„I can not understand.“
„Was? Sie könning mich nicht versteheng?“ rief Turnerstick zornig. „Das ist mir unbegreifling! Ich drückling mich doch deutling aus. Passeng Sie nur richting auf! Ich will bezahling!“
Der Wirt schüttelte verlegen den Kopf. Da sprang der Kapitän vom Stuhl auf und schrie erbost: „Habing Sie keine Ohreng? Ich will bezahlang, bezahleng, bezahling, bezahlong und bezahlung!“
Der Wirt fuhr erschrocken zurück. Sein Gesicht verriet, daß er ratlos sei; darum belehrte ihn der Methusalem in halblautem Ton: „He will to pay.“
„Ja, to pay, to payeng will ich, payeng, verstandung?“ rief Turnerstick. „Aber Li, lauter Li will ich geben.“
Bei diesen Worten zeigte er auf die Geldschnüre, welche um seinen Hals hingen. Im Gesicht des Methusalem war der Ausdruck lustiger Spannung zu bemerken. Der Wirt verstand den Kapitän jetzt; er gab sich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, und sagte sehr höflich: „Thirty bottles, Sir? I beg, ten thousand Li!“
Turnerstick prallte zurück, als ob er einen Hieb in das Gesicht erhalten habe.
„Wa-a-a-a-as?“ fragte er. „Zehntausend Li?“
„Jawohl, zehntausend Li!“ bestätigte der Methusalem.
„Das ist doch nur ein dummer Witz!“
„O nein, Kapitän, das ist Ernst.“
„Unmöglich! Bedenken Sie, zehntausend Li! Das ist ja unbegreiflich!“
„Es ist im Gegenteil leicht erklärlich. Zehntausend Li sind nach deutschem Geld ungefähr sechzig Mark.“
„Also die Flasche zwei Mark?“
„Ja.“
„Die daheim fünfzehn Pfennige kostet!“
„Wir sind nicht daheim. Wir haben deutsches Bier getrunken, irre ich mich nicht, aus der Waldschlößchenbrauerei zu Dresden. Dieses Bier muß den Äquator
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