32 - Der Blaurote Methusalem
Abwechslung doch mal versuchsweise einen Turnerstick reiben.“
„Danke!“ rief der Kapitän. „Ich mag nicht noch mehr gerieben werden. Ich habe auch ohnedies, wohin ich sehe, meinen grünen Ärger. Habe ich nicht das herrlichste Chinesisch gesprochen, ohne daß der Wirt mich verstehen wollte? Das war die strafwürdigste Auflehnung gegen meine Mandarinenwürde. Aber das Holländische des Mijnheer hat der Kellner gleich verstanden!“
„Weil dieser Mann des Niederländischen mächtig ist, wie leicht zu hören war“, erklärte Degenfeld. „Ich rate Ihnen, Ihren Groll schwinden zu lassen, aber –“
„Aberst dat Fäßchen lassen wir nicht schwinden“, fiel ihm Gottfried, um Turnerstick zu ärgern, in die Rede. „Dat muß anjeschwommen kommen!“
„Bier gibt es hier nur in Flaschen; von einem Faß kann also überhaupt nicht die Rede sein!“
„So soll ich wohl vor Durst zu meinen Ahnen hinüberschmachten? So pflanze mir eine einsame Ranke Hopfen auf mein frühes Jrab, und denk dabei, an dich sei alles Malz verloren!“
Während dieser Wortfechterei hatte der Mijnheer dem Wirt heimlich einige Worte gesagt. Infolgedessen brachten die Kellner dreißig Bierflaschen herbei, welche sie in Reih und Glied auf den Tisch pflanzten.
„Wat ist dat?“ rief Gottfried elektrisiert. „So einen halben Zug Garde du Corps lasse ich mich jefallen! Welcher ingeniale Stratege hat diese Helden ins Vordertreffen jeschickt?“
„Ik ben deze veldheer“, antwortete der Dicke. „Hier is het slagveld en de belegering, en wij zijn dappere krijgslieden. Jagen wij alzo onze vijanden buiten veld – ich bin dieser Feldherr. Hier ist das Schlachtfeld und die Belagerung. Wir sind tapfere Kriegsleute. Jagen wir also unsre Feinde aus dem Feld!“
Sein fettes Gesicht strahlte in solcher Freundlichkeit, daß ihm seine Gastlichkeit unmöglich übelgenommen werden konnte. Der Kapitän aber hatte ihm den vorhergehenden Stich noch nicht vergeben und sagte: „Wie, Mijnheer, Sie wollen uns traktieren? Das ist doch nur unter guten Bekannten gestattet. Sie aber sind uns völlig fremd.“
„Gerade weil ik Ihnen niet fremd bleiben will, habe ik Sie gebeten“, antwortete der Dicke ohne allen Groll. „Ik möcht so gaarne Ihr vriend sein und mit Ihnen nach Kanton reizen, weil ik sonst niet wieder so goede Gezelschap finde. Werden Sie mij das erlauben?“
„Natürlich, natürlich, lieber Freund!“ antwortete der Methusalem. „Ich trinke zwar nicht gern aus andrer Leute Beutel, aber in dieser Weise und unter solchen Voraussetzungen angeboten, kann ich die Gastfreundschaft nicht zurückweisen. Wollen's heut mal gelten lassen; deutsches Bier kriegt man in diesem Land der Zöpfe nicht allemal! Hier meine Hand; wollen gute Kameradschaft halten!“
Er schüttelte dem Holländer die Hand. Auch Gottfried ergriff dieselbe, drückte sie begeistert und rief: „Hier auch die meinigen fünf Fingern; später drücke ich vielleicht so jar Ihr liebes Anjesicht an mein sanft wallendes Herz. Seien Sie einer von uns, und zwar der Dickste von allen! Ich bejrüße Sie als würdige Masche in unsrem Strumpfe. Möge Ihr Wohltun nie erlahmen und Ihre Einsicht nie versiechen. Empfangen Sie im Jeiste meinen Bruderkuß und überdies die heilige Versicherung, daß Sie sowohl in Beziehung auf Ihr Jemüt wie auch in Betracht Ihres körperlichen Volumens herrlich jeeignet sind, dat jroße Leck zu stopfen, von welchem unser ruhmesreicher Heimdall Turnerstick vorhin jesprochen hat! Und nun Jläser her, denn dat Jefecht soll bejinnen!“
„Neen, neen“, wehrte der Dicke ab. „Niet kleine Gläser! Ik will ook mal aus deze groten Stamper trinken! Ik will zeigen, daß ik niet bloß essen, sondern ook trinken kann!“
Dieser Vorschlag wurde gern angenommen. Das Stammglas ging, immer wieder gefüllt, von einem zum andern; nur Richard wurde verschont, und der Neufundländer durfte fasten. Mijnheer van Aardappelenbosch trank gerade so wie die andern das Glas bis auf die Nagelprobe aus. Er gab in den wunderlichsten Worten seiner Freude Ausdruck, eine so gute ‚Reisgezelschap‘ gefunden zu haben.
„So wird aus dem Saulus ein Paulus!“ lachte Gottfried vergnügt. „Erst nannten Sie sich unsern Feind, und nun haben Sie uns Ihr janzes Herz zum Präsent jebracht. Wat hat Sie denn mit solche Alljewalt in unsern schönen Kreis jetrieben?“
„Daß Sie so wacker Bier trinken, das hat Ihnen mijne Vriendschap zugewandt, denn ik sage mij, daß Sie ook genau so goed essen
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