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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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können Sie ja auch mir helfen!“
    „Mit Leichtigkeit sogar!“
    „So kennen und heilen Sie alle Krankheiten?“
    „Alle, nämlich wenn der Patient nicht zu dick ist.“
    „Mijn Hemel – mein Himmel! Warum diese Ausnahme?“
    „Sehr selbstverständlich, weil es dann ganz unmöglich ist, ihm in das Innere zu blicken.“
    „So sagen Sie, wie steht es da mit mir?“
    „Sie sind zu fett.“
    „Dit Ongeluk! Ich war erst viel dicker als jetzt! So können Sie mij also niet kurieren?“
    „Schwerlich! Aber es ist einer da, welcher Ihnen sicher Hilfe brächte, wenn Sie sich an ihn wenden wollten.“
    „Wer ist das?“
    „Mein Kommilitone, welcher vorhin fortgegangen ist.“
    „Der mit vier Flaschen Bier in drei Minuten?“
    „Ja, derselbe. Ich heile alles, aber bei so korpulenten Patienten ist er mir doch überlegen. Wenden Sie sich also nur getrost an ihn!“
    In diesem Augenblick ging die Tür auf, und der Methusalem trat herein. Sofort sprang der Holländer auf, eilte auf ihn zu, ergriff ihn am Arm und fragte hastig: „Mijnheer, wat leert het Woordenboek van mijn maag en van mijne zenuwen?“
    Fritz Degenfeld maß ihn vom Kopf bis zu den Füßen herab, schüttelte den Kopf und antwortete: „Was das Wörterbuch von Ihrem Magen und Ihren Nerven lehrt? Um da zu wissen, woran man ist, bedarf es gar keines Buches.“
    „Sehen Sie, Mijnheer! Habe ich es Ihnen nicht vorherjesagt!“ rief Gottfried, jetzt wieder in seine Mundart fallend. „Er weiß eben allens, und zwar janz ohne in dat Wörterbuch zu kieken.“
    „Du!“ mahnte der Methusalem, ihm mit dem Finger drohend. „Da hast du dich wohl wieder einmal gehenlassen!“
    „Nicht die Spur von da! Er ist krank an alle innerliche und äußerliche Extremitäten. Mit die äußerlichen wollte ich's schon gern probieren, aberst zu die innerlichen, was man die internen heißt, kann meine Auskultur nicht jelangen, weil da die sojenannte ‚Dickt‘ im Wege steht. Darum habe ich mir erlaubt, den Mijnheer an Ihnen zu adressieren, weil Ihr Blick so jar durch Fleisch und Knochen jeht. Jestatten Sie mich aberst vor allen Dingen, ihm Sie vorzustellen, nämlich Mijnheer Willem van Aardappelenbosch aus Java. Dat Klima hat ihn dort so abjemagert, daß er nach hier jekommen ist, um sich da wieder emporzuessen. Der Offizier van der Gezondheid hat es ihm jeraten.“
    „Wirklich?“ fragte Degenfeld, sich an den Holländer wendend.
    „Ja, Mijnheer“, antwortete dieser. „Ik ben seit einiger Zeit ganz und gar vom Vleesch gefallen.“
    „Waren Sie früher noch dicker?“
    „Ik was een reus – ich war ein Riese; jetzt aber kann man mij nur mit Mitleid betrachten.“
    Er begann, seine Leiden gerade so aufzuzählen, wie er sie vorhin genannt hatte. Degenfeld ließ ihn ruhig sprechen; er merkte sehr bald, wen er vor sich hatte. Dann, als die Aufzählung zu Ende war, fragte er Gottfried: „Habt ihr euch dem Mijnheer denn auch schon vorgestellt?“
    „Namentlich noch keineswegs“, antwortete er; „aberst daß ich ein jroßes Lumen bin, das hat er bereits jemerkt.“
    „So will ich diese Versäumnis nachholen. Mijnheer, hier sehen Sie zunächst den jungen Herrn Richard Stein, einen deutschen Gymnasiasten. Neben ihm sitzt unser Freund Tur-ning sti-king kuo-ngan ta-fu-tsiang – – –“
    „Also ein Chinese! Vorhin sprach er doch deutsch!“ meinte der Dicke.
    „Von Haus aus ist er allerdings ein Deutscher. Da er aber jetzt aus dem Häuschen ist, so dürfen Sie ihn für einen Chinesen halten. Ferner sehen Sie hier meinen Spiritus familiaris, vom heiligen Femgerichte, eingetragen als Gottfried von Bouillon.“
    „Ist das niet een tapperer Ritter?“
    „Ja. Vor ungefähr achthundert Jahren hat er einen Kreuzzug gegen die Ungläubigen unternommen; jetzt aber kriecht er vor jedem Gläubiger zu Kreuze, sintemalen alle ihm zur Zahlung präsentierten Wechsel mit dem schönen Namen Gottfried Ziegenkopf querbeschrieben sind. Was nun mich selbst betrifft, so bin ich einfach der allbekannte Methusalem.“
    „Von dem die Bibel vertaalt?“
    „Ja, von dem die Bibel verzählt, der Sohn Henochs und Vater des Lamech. Da ich aber weder Henoch noch Lamech gekannt habe, so möchte ich zuweilen an mir selbst verzweifeln. In solchen trüben Augenblicken nenne ich mich Fritz Degenfeld und nehme an, daß ich in einem deutschen Brauhaus dem irdischen Dasein guten Morgen sagte. Ob Sie mich nun Degenfeld oder Methusalem nennen wollen, ist mir gleich; meine intimen Bekannten ziehen das

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